«Ich wiederhole meine Vorwürfe unverändert seit über 20 Jahren und ich wurde systematisch zum Schweigen gebracht, ignoriert und diskreditiert.»
Das sagte Dylan Farrow, die Adoptivtochter von Woody Allen, am Donnerstag in einem Fernsehinterview von CBS . Ihr Vorwurf: sexueller Missbrauch.
Kollektives Schweigen
1992 – Dylan war sieben Jahre alt – erzählte sie ihrer Mutter Mia Farrow, Woody Allen habe sie belästigt. Dieser bestreitet den Vorwurf bis heute. Es folgten eine öffentlich geführte Schlammschlacht, Untersuchungen, kein Gerichtsverfahren, kein Urteil.
Ein Vierteljahrhundert lang hat die Geschichte viele Leute interessiert, aber offenbar kaum jemanden ernsthaft gestört. Kaum eine Schauspielerin, kaum ein Produzent wollte darauf verzichten, mit der Kinolegende Woody Allen zusammenzuarbeiten.
Wohlgemerkt: Es gilt noch immer die Unschuldsvermutung. Doch nun scheint das kollektive Schweigen in Hollywood ein Ende zu haben, nun schenkt man Dylan Farrow Gehör. Denn wer kann im Zuge der virulenten und zweifelsfrei wichtigen #MeToo-Debatte ein potenzielles Opfer wie Farrow noch ignorieren?
Schauspieler wenden sich ab
Kein Wunder also, dass sich eine wachsende Zahl von Schauspielerinnen und Schauspielern von Woody Allen distanziert. David Krumholtz etwa schrieb auf Twitter, er bereue es, in Allens aktuellem Film «Wonder Wheel» mitgewirkt zu haben.
Auch Greta Gerwig sagte kürzlich, sie wolle nie mehr mit ihm zusammenarbeiten , Colin Firth folgte gestern ihrem Beispiel . Rebecca Hall und Timothée Chalamet wollen ihr Gehalt, das sie beim Dreh für Woody Allens neustem Film verdient haben, gemeinnützigen Organisationen spenden.
Nur wenige mögen sich noch zu Woody Allen bekennen. Wer es dennoch tut, wie etwa Alec Baldwin, muss mit heftigen Reaktionen rechnen.
Späte Einsicht?
Ist das medienwirksame Zurückrudern der Schauspieler bloss opportunistisch, weil man sich mit der Zusammenarbeit mit Woody Allen nicht mehr schmücken kann? Oder handelt es sich um späte Einsicht, um ehrliche Selbstkritik?
Das ist von aussen schwer zu beurteilen. Klar ist: Es ist heute kaum mehr vorstellbar, dass ein Vorwurf von Kindsmissbrauch so lange unbeachtet bleibt.
Ob Woody Allens Karriere nun nachhaltigen Schaden nimmt, wird sich zeigen. Er dürfte es in Zukunft jedenfalls schwerer haben, seine Filme zu realisieren. Kaum jemand will es sich heute noch leisten, mit einem Mann zusammenzuarbeiten, dem sexueller Missbrauch vorgeworfen wird. Unschuldsvermutung hin oder her.