Begriffe wie «widerwärtig», «blutrünstig» und «irre» durchfluteten die Filmkritiken nachdem Tobe Hoopers bekanntester Film vor rund 40 Jahren in den Kinos lief. Mit «The Texas Chain Saw Massacre» klatschte der US-amerikanische Regisseur dem Publikum eine gewaltige Portion Blut ins Gesicht, schockierte und faszinierte es gleichermassen mit brutalsten Gewaltszenen – und erarbeitete sich selbst den Titel «Meister des Horrorfilms».
Die Story ist grausig. Eine Gruppe junger Leute wird in Texas Opfer einer Familie blutrünstiger Kannibalen. In dem von Menschenknochen geschmückten Haus der wahnsinnigen Familie werden Leute verprügelt, geknüppelt und aufgespiesst. Von niemand geringerem als dem Kettensägen-Killer Leatherface, der sich Masken aus der Gesichtshaut seiner Opfer bastelt.
Der Mensch ist das Monster
Mit dieser Wucht einer Horrorstory schuf Hooper einen der ersten modernen Horrorfilme. Dies gelang ihm mit vernichtendem Ehrgeiz – Hooper kratzte mit Freunden rund 80'000 Dollar Produktionsgeld zusammen – und einer heute nicht mehr bahnbrechend klingenden Idee.
«Er stellte ein menschliches Monster an die Stelle der klassischen – etwa der Mumie, dem Werwolf oder Dracula», erklärt SRF-Filmredaktor Michael Sennhauser. «Der Killer ist die drastische Weiterentwicklung des schizophrenen Psychopathen aus Hichtcocks ‹Psycho› von 1960. Hooper zeigte damit: Der Mensch als das eigentliche Monster ist furchterregender als jede Fantasiefigur.»
Horror als Antwort auf den Krieg
So gelang es Hooper, der zuvor Dokumentarfilme drehte, aus einem realistischen Alltag heraus, Schrecken zu evozieren. Suchten die Filmemacher damals nach Inspiration, konnten sie in der Realität aus dem Vollen schöpfen.
«Der Vietnam-Krieg lieferte täglich Horrorbilder», erzählt Sennhauser. «Und das unabhängige Kino reagierte mit selbstbestimmtem und selbstgemachtem Horror».
Neben Hooper lieferten auch der kürzlich verstorbene George A. Romero («The Night of the Living Dead», 1968) und Wes Craven («The Last House on the Left», 1972) Filme, die sich an die Grundidee der meisten Horrorfilme der späten 1960er- und 1970er-Jahre hielten: «Der Mensch ist das eigentliche Monster», erklärt Sennhauser. «Und diese Monstermenschen sind unter uns.»
Rücksichtslose Kunst im Kino
Dass solche menschlichen Abgründe den Weg ins Kino fanden, lag auch am damaligen Aufstieg der Independent Filmmakers in den 1970er-Jahren. «Die unabhängigen Filmemacher mussten sich – im Gegensatz zu den Studios – an keinen selbstauferlegten Zensur-Code halten», sagt Sennhauser.
«Damals boten billige Genrefilme mit Sex, Gewalt und Horror den Nervenkitzel, den die Hollywoodstudios nicht mehr hinbekamen und den das Fernsehen nicht zeigen durfte.»
Zensur ist beste Werbung
Obwohl der Film in vielen Teilen der USA wegen sadistischer Gewaltdarstellungen verboten wurde, war er ein kommerzieller Erfolg. «Die Zensur war grossartige Werbung», sagt Sennhauser.
«Aber erst die Verbreitung durch Homevideos – plötzlich hatten Filme ein Zweitleben jenseits der Kinos und des strikt regulierten Fernsehens – machte diese Filme zu Dauerbrennern über Jahrzehnte und zu eigentlichen Legenden.»
Die Ruhe nach dem grossen Wurf
Acht Jahre nach «The Texas Chain Saw Massacre» gelang Hooper ein kommerziell noch grösserer Erfolg. Mit dem von Steven Spielberg geschriebenen «Poltergeist» 1982 brachte er sein zweites Horror-Familienspektakel ins Kino. «Die Zusammenarbeit mit Spielberg war für Hooper die Erhebung in den Adelsstand des Studio-Mainstreams», sagt Sennhauser.
Nach diesen beiden Grosserfolgen wurde es jedoch ruhiger um Hooper. Er machte weiterhin Film- und Fernsehproduktionen, konnte aber den grossen Filmkritiker Roger Ebert nie mehr so vor den Kopf stossen wie mit «The Texas Chain Saw Massacre».
Ebert nannte den Film eine «Terrorübung» und schrieb: «Ich kann mir nicht vorstellen, wieso jemand einen solchen Film machen würde. Aber er ist gut gemacht, gut gespielt und enorm wirkungsvoll.»
Nun ist der US-Regisseur tot. Hooper starb am Samstag im Alter von 74 Jahren in der kalifornischen Stadt Sherman Oaks.
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur Nachrichten, 28.08.17, 06.01 Uhr