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Netflix stellt DVD-Verleih ein Warum gibt es immer noch Videotheken?

Nach 25 Jahren stellt Netflix seinen DVD-Verleih im Herbst endgültig ein. Videotheken haben seit Jahren einen schweren Stand. In Zürich lässt sich eine nicht unterkriegen – und hat gute Gründe dafür.

Wieso gehen Menschen heute noch in die Videothek? Es sind in der Regel Leute, die sich wirklich für Film und dessen Geschichte begeistern. Das sagt zumindest Dominic Schmid, Co-Geschäftsführer der letzten Zürcher Videothek «Les Videos»: «Unsere Kundschaft will ein sehr breites Spektrum von Kino geniessen und nicht das am Massengeschmack ausgerichtete Angebot grosser Konzerne wie Netflix, Amazon und Co.». Den Kunden ginge es oft nicht darum, irgendeinen Film zu schauen, sondern sie wollen einen ganz bestimmten Film sehen.

Eingangsbereich einer Videothek in Zürich mit blau umrahmten Fenstern.
Legende: Im Zürcher Niederdorf begrüsst «Les Videos» seit 1981 seine Kundschaft. Schweizweit gibt es nur noch eine Handvoll Videotheken – genau erfasst werden die Standorte nicht mehr. Les Videos

Neben den Privatpersonen sind Videotheken auch für Kinos, Wissenschaftlerinnen und Filmstudierende interessant. Auch SRF zählt zu den Kunden von «Les Videos». «Vor allem ältere oder unbekanntere Filme findet man nicht im Internet. Da muss man auf DVDs zurückgreifen» erklärt SRF-Filmexperte Enno Reins. 

Hat das Aus vom Netflix-Verleih einen Einfluss auf die Verleih-Branche? Vorerst wahrscheinlich nicht. «Die Meldung tangiert uns erstmal nicht», so Dominic Schmid. Aber er gibt zu bedenken: Wenn solche gewichtigen Kunden wie Netflix den DVD-Labels wegbrechen, könnte das dazu führen, dass irgendwann gar keine DVDs mehr produziert würden. Das zeichnet sich momentan jedoch nicht ab. «Und wir hätten dann trotzdem noch den ganzen DVD-Bestand an älteren Filmen», so Schmid.

Welchen Mehrwert bietet eine Videothek gegenüber Netflix und Co.? Das Angebot an Filmen und Serien ist bei Videotheken deutlich vielfältiger und grösser. So umfasst das Sortiment von «Les Videos» mehr als 35'000 Filme. Die Mediatheken von Netflix und Co. können da nicht mithalten. Und: Viele Filme oder Serien stehen bei Streamingdiensten nur zeitlich begrenzt zur Verfügung. «Bei uns ist man nicht von dieser Willkür abhängig. Unsere Filme sind auf physischen Datenträgern erhältlich und fallen nicht aus dem Sortiment», erklärt Schmid.

Den typischen männlichen jungen Marvel-Fan bedienen Videotheken nicht.
Autor: Dominic Schmid Geschäftsführer von «Les Videos»

Zudem schätzen viele Kunden die persönlichen Empfehlungen der Mitarbeitenden: Empfehlungen echter Menschen und nicht eines intransparenten Algorithmus.

Kann man mit DVD-Verleih noch Geld verdienen? Die goldenen Zeiten für Videotheken der 90er-Jahre und frühen 2000er sind vorbei. «Man wird nicht mehr reich damit, aber wir arbeiten knapp kostendeckend», so Schmid.

«Les Videos» finanziert sich zu einem grossen Teil über ihre Film-Flatrate, bei der ihre Kundschaft ein Abonnement abschliesst – eine Art GA für Filme. Hinzu kommen Einnahmen über Einzelausleihungen und Spenden ihrer Vereinsmitglieder. «Die Leute schätzen es, dass es uns noch gibt», sagt Schmid.

Welche Filme werden heutzutage noch ausgeliehen? In erster Linie sind das Filme, die man bei kommerziellen Streaminganbietern nicht mehr findet. Auch ältere Filme seien beliebt. «Den typischen männlichen jungen Marvel-Fan bedienen Videotheken in der Regel nicht», so Dominic Schmid. Besonders gerne werden auch Arthouse-Filme ausgeliehen – und Genres, abseits des Mainstreams.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 19.04.2023, 17:30 Uhr

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