Er sei mit den klassischen amerikanischen Western auf VHS-Kassetten aufgewachsen, sagt Regisseur Warwick Thornton. Aber als Angehöriger eines indigenen Stammes in Australien habe er sich mit den Indianern identifiziert und darum keinen Zugang zu den Filmen gefunden.
Erst die Italo- und Neo-Western der 1970er-Jahre mit ihrer ambivalenten Moral haben ihm eigene Perspektiven eröffnet. Als sein Jugendfreund David Tranter vom Alywarra-Stamm mit einer ersten Drehbuch-Idee für «Sweet Country» kam, beschlossen sie, einen australischen Western mit eigenen Regeln zu machen.
«Vor Gott sind wir alle gleich!»
«Sweet Country» spielt in Zentral-Australien im Jahr 1929. Die Aboriginals Sam Kelly (Hamilton Morris) und seine Frau Lizzie (Natassia Gorey-Furber arbeiten und leben beim weissen Prediger Fred Smith.
Und dieser aufrechte weisse Gottesmann, gespielt von Sam Neill, ist ziemlich irritiert, als ihn sein neuer Nachbar fragt, wo er seine «Schwarzen» herhabe. «Moment mal, Mate. Hier und vor Gott sind wir alle gleich!»
Damit kann der ehemalige Soldat March allerdings nichts anfangen. Er sei drei Jahre an der West-Front gegen die Deutschen im Einsatz gewesen, meint er, und dort habe er nicht viel von Gott gesehen. Um Frieden bemüht bittet der Prediger schliesslich Sam und dessen Frau, dem neuen Nachbarn wenigstens ein paar Tage auszuhelfen.
Nach wenigen Tagen auf dessen Farm erschiesst Sam den rassistischen, dauerbesoffenen Ex-Soldaten in Notwehr und flieht mit seiner Frau Lizzie ins Buschland. Überzeugt, dass sie von den Weissen keine Gerechtigkeit zu erwarten haben.
Kein sicherer Ort, nirgends
Regisseur Thornton, der auch sein eigener Kameramann ist, setzt wirkungsvoll auf die überwältigende Grösse, Schönheit und Gefährlichkeit der australischen Wildnis.
Sam und Lizzie sind nicht nur auf der Flucht vor den weissen Verfolgern. Sie müssen sich auch vor den ihnen fremden Ureinwohnern im Buschland verstecken. Für die beiden gibt es keinen sicheren Ort mehr.
Die Weissen hätten keine Geschichten und keine Kultur, erklärt einmal einer der anderen Aboriginal-Farm-Arbeiter, der allerdings längst selber nicht mehr weiss, wo er eigentlich hingehört.
Ein Instant-Klassiker
Die Landschaft - vom Busch, über die Hügel bis zur gleissenden Weisse einer Salzsee-Wüste - nimmt einen gefangen. Aber es sind die Film-Figuren, deren subtil angedeutete persönliche Geschichten immer wieder einen Perspektivenwechsel erzwingen.
Sei es das Trauma des mörderischen, rassistischen Kriegsheimkehrer, die Verlorenheit von Sam und Lizzie zwischen ihrer eigenen Kultur und dem Leben mit den weissen Siedlern. Niemand ist hier eindeutig gut oder böse.
Der Film hat zwar einen moralischen Standpunkt, aber der ist genau so klar und unaufdringlich wie der Soundtrack. Die Geräusche der Natur ersetzen vollständig die im klassischen Western so wichtige Sehnsuchts- und Dramamusik.
«Sweet Country» ist ein Instant-Klassiker. Einer jener Filme, die wirken, als hätte man in ihnen gelebt und Wurzeln geschlagen.