Ein Mann im Mantel und mit Koffer durchstreift zackig eine verschneite Landschaft. Die statische Kamera betrachtet ihn aus der Distanz.
Plötzlich verschwindet der Mann hinter einem Baumstamm, taucht aber sogleich wieder auf, hinter einem anderen, meterweit entfernten Baum. Was ist passiert?
Es war ein kleiner digitaler Trick des Regisseurs Thomas Ott. Schlitzohrig verweist der Filmemacher am Anfang von «Cirque de Pic» auf eine Bühnennummer, die später im Film zu sehen sein wird: Darin verblüfft Pic sein Publikum mit blitzschnellen Kostüm- und Maskenwechseln hinter einer kleinen Trennwand. Doch wer ist dieser Pic?
Der Mann mit den Seifenblasen
Mehrere Generationen in der Schweiz erinnern sich an einen weiss geschminkten Pierrot mit verklärtem Charlie-Chaplin-Blick, im weiten Gewand und mit langem Haar, der in einer dunkelblau ausgeleuchteten Zirkusmanege mit nur wenig Utensilien ein Ballett aus teils überdimensionierten Seifenblasen schuf. Er tat es ab den Siebzigern und er tut es bisweilen immer noch. Das war und ist Pic.
Richard Hirzel alias Pic ist heute um die 70 und lebt in in St. Gallen. Er malt Bilder, liest gern und arbeitet wohl an seinem nächsten Programm.
Auftreten kann er zurzeit nicht, wie alle anderen Kunstschaffenden wegen der Corona-Massnahmen. Aber immerhin befindet sich jetzt ein Film in der Online-Auswertung, der seinem Schaffen gewidmet ist.
Bloss Fragmente eines Künstlers
«Cirque de Pic» ist allerdings kein klassisches Biopic. Thomas Ott hat in einem Zeitraum von 12 Jahren sporadisch bei Pic selbst oder bei Menschen aus seinem Umfeld vorbeigeschaut – doch diese Gespräche bleiben fragmentarisch.
Von Pics künstlerischen Ansätzen ist die Rede, von seinem Wesen, von seiner Auffassungsgabe. Sein Privatleben wird nur mit Andeutungen bedacht.
Diese Interview-Collage wird zusammengehalten durch abgefilmte Versionen von Pics klassischen Zirkus-, Theater- und Varieté-Nummern, die zum Teil in voller Länge zu sehen sind. Die frühesten Aufnahmen stammen aus den 1970er-Jahren, die jüngsten sind aktuell.
Doch lieber live
Gezwungenermassen verblassen Pics Nummern auf dem Bildschirm oder der Leinwand. Denn sie sind klar konzipiert für den direkten Kontakt mit dem Auditorium.
Manchmal hört man es auf der Tonspur, wenn jemand neben der Kamera über einen Gag kichert oder eine besonders gelungene Seifenblase mit einem «Oooooh!» kommentiert.
Beim Schauen des Films bleiben solche Reaktionen hingegen eher aus. Wie immer, wenn man aus dem Shutdown etwas anschaut, das man lieber vor Ort erleben möchte.
Abenteuer Kino?
Dabei wäre Pic eigentlich wie gemacht für cineastische Abenteuer. Der im Film auftretende Kabarettist Emil Steinberger sagt es selbst: «Wäre ich ein Filmemacher, dann hätte ich den schon längstens engagiert!»
Das leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass cineastische Grössen wie Charlie Chaplin und Pierre Etaix zu Pics grossen Idolen gehören.
«Cirque de Pic» beantwortet ansatzweise, wie so ein Pic-Film aussehen könnte: Mit den eingangs erwähnten, absurden Szenen im Schnee im Appenzellerland wäre ein potenzieller filmischer Ton dafür gefunden. Daraus liesse sich etwas machen – vielleicht bietet sich ja dank dem Shutdown auch genügend Zeit dafür.