«Ich kann mich schon wehren», sagt die Mitdreissigerin Janne zu ihrer Mutter. Die beiden sitzen nackt in der Sauna. Zum ersten Mal gesteht Janne jemandem gegenüber ein, dass die Schramme an ihrer Schläfe nicht von einer Türkante stammt.
Ein entfernter Bekannter ist verantwortlich. Er hat mit Janne gegen ihren Willen geschlafen. Doch die Mutter reagiert darauf nicht betroffen, sondern eher empört: «Aber nein heisst doch nein!».
Janne wiegelt verschämt ab: «Es ist nichts passiert.»
Keine einfachen Lösungen
Diese Szene ist typisch für den neuen deutschen Spielfilm «Alles ist gut». Es gibt keine richtigen und falschen Haltungen. Und es gibt keine einfachen Lösungen.
Wenn sich die Autorin und Regisseurin Eva Trobisch einen Konflikt ausdenkt, dann denkt sie jeweils beide Positionen ausführlich durch.
In diesem Fall ist es die Position der sexuell selbstbestimmten Mutter: «So etwas darf man nicht mit sich machen lassen.» Die Position der abgehärteten Tochter: «Es war bloss schlechter Sex.»
Sex, aber nicht nur
Beim Interview spricht Eva Trobisch nur ungern über das Thema «Vergewaltigung». Schliesslich hat sie in ihrem Drehbuch ein ausserordentlich komplexes Personengefüge entworfen: Ihre Protagonistin Janne ist im Verlauf des Films gefangen zwischen einem beruflich gescheiterten Lebenspartner, ihrem ungelenken Vergewaltiger und einem etwas zu charmanten Chef.
Jannes eigene beruflichen Zukunft wird davon abhängen, wie sie auf die zunehmenden Komplikationen um sie herum reagiert.
Doch jetzt ist alles, worüber die Presse mit Eva Trobisch reden will, diese Vergewaltigung. Daran ist die Filmemacherin allerdings nicht ganz unschuldig: Trobisch hat die betreffende Szene in voller Länge in ihren Film eingebaut. Janne und ihr neuer Bekannter flirten zuerst betrunken miteinander.
Als Janne jedoch nach einigen harmlosen Küssen den Mann abblocken will, brennt mit ihm die Libido durch. Was in der nächsten Einstellung zu sehen ist, hat mehr mit Kontrollverlust als mit einem perfiden Gewaltakt zu tun.
Ein Stein im Mosaik
Trobisch sagt im Gespräch, sie habe diese Szene erst sehr spät in ihr Drehbuch eingebaut. Ursprünglich sei es einfach das Porträt einer jungen Frau gewesen, die schwierige, wenn nicht unmögliche Entscheidungen treffen müsse.
Um diese Frau herum habe sie anschliessend ein Mobile von Figuren entworfen, die sich alle ineinander verheddern, obwohl sie eigentlich nur das Beste füreinander wollen.
Und irgendwann habe halt die Vergewaltigung wie ein Stein in dieses Mosaik gepasst. Als Metapher, wie sie sagt.
Drama und Komik
Trobisch fügt hinzu, sie habe sicher keinen reinen Themen- oder Problemfilm machen wollen. Das habe sie nicht interessiert. An diesem Anspruch darf man «Alles ist gut» messen – und ihn als gelungen bezeichnen: Trobischs Plot kreist zwar konsequent um die weibliche Hauptfigur und ihre Würde.
Aber Jannes Werdegang ist clever eingebettet in ein Umfeld aus lauter ausdifferenzierten Nebenfiguren, die alle ihre eigenen Probleme haben.
Auf diese Weise gelingt der Filmemacherin ein sehenswerter, abgründiger Mix aus stillem Drama und bisweilen ziemlich schwarzer Situationskomik.