Er ist ein beflissener Schüler, hat eine Freundin, ist sportlich – Jared versucht lange vor seinen streng gläubigen Eltern das Bild zu wahren, ein vorbildlicher Teenager zu sein.
Aufgrund eines Vorfalls mit einem gleichaltrigen Jungen auf dem College, kommt aber eines Tages sein Geheimnis ans Licht: Jared ist schwul. Eine Tatsache, die sein Vater – ein Pastor – nicht akzeptieren kann.
Ein Camp der Erniedrigung
Jared wird von seinen Eltern in ein Umerziehungslager gebracht. Im «Love in Action Camp» sollen ihm und anderen Jugendlichen auf Basis des christlichen Glaubens ihre Homosexualität «abtrainiert» werden.
Im Camp muss Jared erniedrigende Prozeduren über sich ergehen lassen: So müssen die Jugendlichen vor der ganzen Gruppe beschreiben, wie sie ihre sexuellen Neigungen entdeckt haben oder bei verschiedenen Aktivitäten stereotype männliche Eigenschaften stärken.
Einblick in eine absurde Welt
«Boy Erased» gibt uns mit Jareds Schicksal einen tiefen Einblick in eine Welt, die hierzulande den meisten absurd erscheinen wird, in erzkonservativen Kreisen der USA leider aber bis heute eine Realität ist. Es ist eine Welt, in der Homosexualität als selbstgetroffene Wahl und Sünde betrachtet wird.
«Boy Erased» lässt uns Jareds Weg miterleben ohne dabei effekthascherisch zu sein. Denn der Fokus liegt hier nicht auf den brutalen Szenen. Der Film wird so der Schwere des Themas gerecht, ohne zu überdramatisieren.
Lust und Gefahr
Feinfühlig ist der Film auch in der Inszenierung. Mithilfe kleinster Details werden wir in Jareds Gefühlswelt gezogen. So symbolisiert beispielsweise das rote Licht, das in einer Verführungsszene auf einen Jungen fällt, Gefahr und Sünde – aber auch Lust und Liebe.
Gleichzeitig porträtiert der Film auf eine menschliche Art und Weise die Entwicklung von Jareds Eltern – herausragend gespielt von Nicole Kidman und Russell Crowe.
Keine Hollywood-Klischees
Während Jareds Mutter schnell merkt, dass es in der Therapie nicht mit rechten Dingen zugeht, kann sich der Vater von der Scham über seinen eigenen Sohn nicht lösen.
Das wirft die Frage auf, inwieweit man sich von den eigenen Eltern entfernen muss, um sich selbst zu sein. Ebenso wie damit eindrücklich der Konflikt von Elternliebe und Glaube zu tragen kommt.
Auch hier bleibt der Film stets authentisch und verfällt in keine Hollywood-Klischees.
«Boy Erased» gelingt aber nicht nur der Umgang mit den Themen Homosexualität, Religion und Elternliebe. In diesem Film ragt auch der dramatische Aufbau heraus.
Zu Beginn baut die Geschichte eine packende Spannung auf und wir bangen darum, wie die Therapie Jared beeinflussen wird. Der Film bleibt dabei unvorhersehbar, und wir hoffen bis zum Schluss, dass der junge Mann schliesslich zu seiner Identität stehen kann.