«Die digitale Revolution demokratisierte das ganze Medium», sagt der in den USA lebende Schweizer Fotograf Tomo Muscionico. «Das brachte alle auf die gleiche Ebene, das ist eine grossartige Sache.»
Weniger grossartig findet Muscionico hingegen die aus der Digitalisierung resultierende Bilderflut: «Heutzutage ist alles wie eine verdammte Slide Show. Du scrollst einfach durch. Und wir vergessen alles sehr schnell wieder, weil dein Freund bereits zwei neue Fotos auf Instagram geladen hat.»
Das Ende der analogen Fotografie
Tomo Muscionico ist einer der 5 Protagonisten in Felix von Muralts Dokumentation «Shadow Thieves». Um die Digitalisierung und welche Folgen sie für Berufsfotografen hat, darum geht es.
Der Regisseur begann seine Arbeit 2001. 9/11, die Terrorattacke aufs World Trade Center, stellt für ihn den Wendepunkt dar. Von einem Tag auf den anderen triumphierte die digitale Fotografie über die herkömmliche Technik.
Die analog arbeitenden Fotografen entwickelten ihre Filme, konnten aber die Bilder nicht verschicken, weil die Flughäfen geschlossen waren. Amateure und Konkurrenten, die die Anschläge auf die Twin Towers digital fotografiert und übermittelt hatten, überholten sie. Seitdem ist alles anders.
Jeden Tag zwei Milliarden neue Fotos
«Zurzeit werden täglich zwei Milliarden Fotos online gestellt», erklärt Fred Ritchin, Dekan des International Center of Photography in New York, im Film. Das sei die grösste Ausstellung, sie sei aber auch die unsichtbarste, weil niemand alle Bilder sehen könne.
Der Unterschied zwischen einem Profifotografen und einem Amateur, meint Ritchin, sei der Umstand, dass ein Profi den Fotos einen Kontext gebe, während ein Amateur bloss einem Trend folge, dem Trend, Fotos hochzuladen.
Auch Videos werden verlangt
Profis können sich der Digitalisierung nicht entziehen. Zumal die Medienwelt längst nicht nur Fotos verlangt.
«Plötzlich hiess es: ich sollte auch noch ein Video machen», erzählt der Schweizer Fotograf Luca Zanetti. «Und da dachte ich: Scheisse, das kann ich gar nicht.»
Aber der Profifotograf passt sich an, unternimmt immer wieder Radtouren, insbesondere durch Kolumbien. Die Sponsoren seiner Ausrüstung wollen, dass er im Blog vor allem über seine Erfahrungen mit dem Material schreibt.
Von sich selbst zu erzählen und dabei Werbung zu machen, interessiert Zanetti aber gar nicht: «Viel lieber berichte ich über die anderen, die Menschen, denen ich begegne.»
Nicht jeder passt sich an. Der Franzose Jean-François Joly verweigert sich der digitalen Entwicklung fast vollständig und arbeitet ausschliesslich mit grossformatigem Polaroid-Positiv/Negativ-Film.
Der Verweigerer
Meist porträtiert Joly Menschen am Rand der Gesellschaft und schenkt ihnen jeweils das Polaroid-Bild. Das Negativ davon behält er für Ausstellungen und Buchprojekte. Und dann kommt der Computer bei der Bildbearbeitung doch noch zum Einsatz. Ganz analog geht es also auch bei Joly nicht.
Filmstart: 31.05.2018