Hollywood pflegte bisher eine merkwürdige, scheinheilig anmutende Beziehung zur Homosexualität: Einerseits stehen Filme über Schwule und Lesben bei der liberalen Academy seit Jahrzehnten hoch im Kurs. Oscargekrönte Titel wie «Thelma & Louise» oder «Brokeback Mountain» gehören längst zum Kanon der Traumfabrik.
Andererseits wurde homosexuelle Liebe auf der Leinwand nur dann gefeiert, wenn sie tragisch endete: Die lesbische Louise wählt zum Beispiel einen spektakulären Freitod: Sie steuert ihren Ford Thunderbird mit Freundin Thelma an Bord über die Klippe des Grand Canyon.
Den schwulen Cowboys vom Brokeback Mountain ist ebenfalls kein Happy End vergönnt: Sie zerbrechen in einem nicht minder dramatischen letzten Akt an Amerikas Homophobie der 1960er-Jahre.
Hollywoods erste schwule Romcom
Romantische Komödien – in der Branche kurz Romcom genannt – funktionieren bekanntlich genau andersherum: Das finale Liebesglück ist da garantiert, der Weg dorthin bestenfalls mit vielen Lachern gepflastert.
«Bros» bricht nun gleich mehrere, scheinbar in Stein gemeisselte Gebote der Traumfabrik. Zum Beispiel, dass Romcoms heterosexuelle Figuren ins Zentrum rücken müssen. Und dass für diese nur absolute Superstars wie Julia Roberts oder George Clooney in Frage kommen. Weil sich das mehrheitlich heterosexuelle Publikum angeblich nur so mit den Verliebten identifizieren kann.
Die profitorientierten grossen Studios haben sich darum bislang brav an diese ungeschriebenen Gesetze gehalten. Erstaunlich, aber wahr: Universal betritt mit «Bros» 2022 im vermeintlich so linken Hollywood tatsächlich filmisches Neuland.
Eichner für alle
Bühne frei für Comedian Billy Eichner, der «Bros» nicht nur geschrieben und inszeniert hat. Der New Yorker hat es sich nehmen lassen, auch gleich noch die Hauptrolle zu spielen: Bobby, einen neurotischen Ü40-Nerd, der in Manhattan ein LBGTQ+-Museum eröffnen will.
Als der Beziehungsmuffel in einem Gay-Club den athletischen Aaron kennenlernt, sprühen sofort die Funken. Doch ganz so einfach kriegen sich die zwei natürlich nicht. Zumal beide das falsche Gefühl quält, nicht in der Liga des anderen zu spielen: Bobby hält sich wegen seiner Trichterbrust für zu wenig attraktiv für Aaron. Während Aaron sich schlicht für zu langweilig hält, um dem kunstaffinen Bobby zu genügen.
Auf Diversität hat Billy Eichner bei der Besetzung von «Bros» grossen Wert gelegt. Sämtliche Rollen werden von Mitgliedern der LBGTQ+-Community gespielt, sogar diejenigen der Heteros. Wozu Eichner medienwirksam verlauten liess: «Es hat Spass gemacht, den Spiess einmal umzudrehen!»
Love is love – oder doch nicht?
Liebenswert ist «Bros» vor allem, wenn seine zwei Protagonisten Einblicke in ihr Seelenleben gewähren: Weil letztlich beide mit ihrer Maskulinität, ihrer Glaubwürdigkeit ringen, ein tougher «Bro» zu sein.
Witzig ist «Bros», weil der Film die gutgemeinte Wohlfühlparole «Love ist love» aufs Korn nimmt: Über queeres Paarungsverhalten via Grindr darf genauso herzhaft gelacht werden wie über unbedarftes Testosteron-Spritzen.
Bemerkenswert, dass «Bros» trotz seiner Unverblümtheit nie seine Mission vergisst: Romantik jenseits des heteronormativen Mainstreams zu bieten. Damit sich alle Publikumsgruppen miteinander verbrüdern mögen. Egal ob sie sich auf die Formel «Love is love» einigen können oder nicht.
Kinostart: 27.10.2022