In erster Linie möchte Joy (Elisabeth Banks) ihr Leben retten. Die Hausfrau aus Chicago erfährt Anfang der 1970er-Jahre, dass ihre Schwangerschaft wegen ihres Herzleidens für sie lebensbedrohlich ist.
Ein Antrag auf eine «therapeutische Abtreibung», die in Ausnahmefällen von einer – rein männlichen – Gesundheitskommission gewährt werden kann, wird ihr verweigert.
Über einen Flyer an einer Bushaltestelle mit der Aufforderung «Call Jane» («Ruf Jane an») findet Joy zum Untergrundnetzwerk, das ungewollt Schwangeren hilft. Sie treibt ab und überlebt.
Die erste «Jane» hiess Heather
Diese «Janes», auch «The Service» genannt, gab es in den USA tatsächlich. Gegründet wurde die Gruppe von der damaligen Studentin und Friedensaktivistin Heather Booth. «Es gab ungerechte Gesetze und das musste sich ändern», erklärt die heute 77-Jährige im Dokumentarfilm «The Janes» (2022, HBO).
Booth hatte für eine Bekannte einen Arzt gesucht, der trotz des damals herrschenden Abtreibungsverbots den Eingriff vornehmen würde. Danach gelangten immer mehr Frauen an sie – ihr «Service» hatte sich in Windeseile herumgesprochen.
Angelerntes Handwerk
Der Film «Call Jane» bildet historische Tatsachen ab, etwa die Erfassung der Abtreibungswilligen mittels Karteikärtchen oder die fürsorgliche Nachbetreuung der Patientinnen. Andernorts führt der Film auf eine falsche Fährte.
So erlernt Protagonistin Joy das «Handwerk» Abtreibung vom jungen Dean, der die Frauen medizinisch einwandfrei, aber empathielos behandelt. Als sich herausstellt, dass er gar kein Arzt ist, übernehmen die Frauen den Job selbst.
Tatsächlich gab es Frauen, die ohne medizinische Fachausbildung Abtreibungen vorgenommen hatten. Doch die allermeisten der mutmasslich 11'000 Eingriffe, die über das Netzwerk liefen, wurden von kooperierenden Ärzten und Ärztinnen durchgeführt, die damit ihre Zulassung und Gefängnisstrafen riskierten.
Ein Raum voller Männer
Zu den aufwühlendsten Szenen des Films gehört Joys Anhörung vor der Gesundheitskommission. Sie befindet sich in einem Raum voller Männer, die über ihren Kopf hinweg befinden, ob ihr Leben schützenswert sei oder nicht.
Ihr Antrag wird abgelehnt, da die Überlebensrate einer Schwangeren mit ihrer seltenen Herzkrankheit bei immerhin 50 Prozent liege.
Tatsächlich hat diese Kommission weniger als fünf Prozent der Abtreibungs-Anträge gutgeheissen, wie Laura Kaplan in ihrem Buch «The Story of Jane» schreibt.
Ein Gesetz befreit den Unterleib
Die «Janes» wurden 1972, nachdem sie vier Jahre aktiv waren, von einer Abtreibungsgegnerin an die Behörden verraten. Sieben Aktivistinnen wurden festgenommen. Ihnen drohte wegen illegaler Abtreibung und anderer Anklagepunkte lebenslange Haft.
Ein halbes Jahr danach legalisierte der Oberste Gerichtshof der USA mit dem Urteil «Roe vs. Wade» Abtreibungen in allen 50 Bundesstaaten. Worauf die Anklagen fallengelassen wurden.
Mit der Legalisierung endet der Film «Call Jane». Die Aktivistinnen feiern den Triumph ausgelassen.
2022, fast genau 50 Jahre später, wurde das Urteil «Roe vs. Wade» vom mehrheitlich ultrakonservativ besetzten Obersten Gericht der USA wieder aufgehoben. In mehr als 20 Bundesstaaten droht ein Abtreibungsverbot. Im Film werden diese Tatsachen nicht erwähnt. Zumindest einen Hinweis im Abspann wären sie wert gewesen.