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Filmkritik «Candyman»
Aus Kultur-Aktualität vom 26.08.2021. Bild: Universal Pictures
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 35 Sekunden.
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Neu im Kino «Candyman»: Der Horror sozialer Ungleichheit

Fast 30 Jahre nach dem ersten «Candyman»-Film kommt die Fortsetzung rund um den Mördergeist in die Kinos.

«Candyman» aus dem Jahr 1992 ist Kult. Die Geschichte über den schwarzen Serienmördergeist, der sein Unwesen in einem Sozialwohnungsbau treibt, kann als Kommentar zu sozialer Ungleichheit, Segregation und Gentrifizierung gelesen werden. Leider bedient der Film selber so einige rassistische Klischees.

Video
Trailer zu «Candyman»
Aus Kultur Extras vom 26.08.2021.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 46 Sekunden.

Neue Perspektive

Dass das von Jordan Peele («Get Out») koproduzierte Sequel deshalb so einiges umdreht, deutet schon der Vorspann des Films an. Wie im Original beginnt der Film mit einer langen Aufnahme von Chicago.

Diesmal wird die Stadt aber nicht aus der Vogelperspektive, sondern von unten gefilmt. Die Hochhäuser sehen schwindelerregend hoch aus, die Bilder sind noch düsterer. Der Perspektivenwechsel findet im neuen Film aber auch inhaltlich statt.

Ein Mann in einem weissen Overall mit schwarzen Farbklecksen.
Legende: Verarbeitet die Candyman-Geschichte zu Kunst: Maler Anthony (Yahya Abdul-Mateen II). Universal Pictures

Ein Blick in den Spiegel

Original-«Candyman» erzählte seine Geschichte aus der Sicht einer weissen Frau. Eine Doktorandin, die den Mythos Candyman im überwiegend schwarzen, von Armut geprägten Quartier Cabrini Green untersuchen will und dann selber zu seinem Opfer wird.

Hauptfigur der neuen Candyman-Version 2021 ist der afroamerikanische Künstler Anthony, der selber aus Cabrini Green stammt. Der Fokus liegt nicht mehr auf der Angst einer weissen Person vor einem mehrheitlich schwarzen Milieu – wie man den Originalfilm ebenfalls deuten kann.

Anthony ist fasziniert von der Candyman-Geschichte. So fasziniert, dass er die «urban legend» in seinem neuen Kunstwerk verarbeitet. Seine Arbeit soll seine Betrachter dazu einladen, Candymans Namen fünfmal in einen Spiegel zu sprechen. Das würde den Geist beschwören – wie die Legende besagt.

Eine Frau in einer Kunstgallerie
Legende: Coole Kulisse, auch mal für ein Blutbad: Das «Candyman»-Sequel spielt im Kunstmilieu. Universal Pictures

Morde ohne Ende

Candyman taucht darauf tatsächlich auf und begeht seine ersten Morde auch gleich in der Kunstgalerie, in der Anthonys Werk ausgestellt ist. Das Kunstmilieu bietet visuell eine spektakuläre Kulisse für Candymans Blutbäder.

Regisseurin Nia DaCosta inszeniert darin auf kreative Weise ihre Gewaltszenen. Leider scheint das Massaker – anders als beim Original das nur wenige explizite Morde zeigt –  nicht mehr aufzuhören.

Das ist schade. Denn so droht die sozialkritische Botschaft des Films in der Slasher-Action etwas unterzugehen.

Ein Mann mit einer Kamera.
Legende: «Candyman» leuchtet das Dunkel sozialer Wohnungsbauten in Chicago aus. Universal Pictures

Ein untypischer Bösewicht

Candyman ist ein ungewöhnlicher Horrorfilm-Antagonist. Nicht nur, weil er bis heute einer der wenigen schwarzen Horrorfilm-Bösewichte ist, sondern auch wegen seines Hintergrundes.

Candyman war der Sohn eines Sklaven, hatte eine Affäre mit einer weissen Frau und wurde deshalb gelyncht. Genau hier gräbt Dacosta noch etwas tiefer im Stoff und holt gleichzeitig die Geschichte ins Jetzt.

In ihrem Film geht es um die Frage, wer Candyman tatsächlich ist und was seine Motive sind. Dacostas Film ist somit nicht nur eine Fortsetzung der Geschichte, es ist ebenso eine Dekonstruktion der Figur Candyman.

Die Candyman-Filmreihe

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Legende: Meteor Film GmbH

Candyman von 1992 basiert auf der Kurzgeschichte «The Forbidden» von Clive Barker. In den 1990er-Jahren gab es bereits zwei Fortsetzungen des Films. «Candyman: Day of the Dead» (1995) und «Candyman: Farewell to the Flesh» (1999). Beide Fortsetzungen liefen nicht im Kino und konnten nicht an den Erfolg des ersten Films anknüpfen. «Candyman» von Nia Dacosta (2021) ist eine Fortsetzung der ersten Candyman-Geschichte.

Candyman als Konzept

Das wird besonders in den Szenen deutlich, in denen Anthony bei den Recherchen für seine Arbeit mit William Burke spricht. Burke ist Waschalon-Betreiber und kennt Cabrini Green in- und auswendig.

Dieser erzählt ihm, wie er als Kind sah, wie ein unschuldiger Mann, den man fälschlicherweise für Candyman hielt, von Polizisten brutal getötet wurde. «Candyman ist kein er, Candyman ist der ganze Bienenstock», sagt er.

Der Bösewicht wird im neuen Candyman-Film also zu einem Symptom, einem übergreifenden Konzept. Auch wenn sich nicht immer alles im Film logisch in diese Prämisse einfügt: Candyman steht hier sinnbildlich für alle Afroamerikaner, die Opfer rassistisch motivierter Gewalt wurden. Jetzt und damals.  

Kinostart: 26.8.2021

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 25.8.2021, 17:20 Uhr

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