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Neu im Kino «Dear Memories»: Road-Trip mit einem Magnum-Fotografen

Die Bilder des Magnum-Fotografen Thomas Höpker sind ikonisch geworden – darunter etwa das schwarzweisse Foto von Boxer Muhammad Ali. Als er vor fünf Jahren Alzheimer diagnostiziert bekam, beschloss er, mit seiner Frau und dem Dokfilmer Nahuel Lopez noch einmal die USA zu durchqueren.

1963 kam der Chefredakteur der Hamburger Zeitschrift «Kristall» auf Thomas Hoepker zu: «Haben Sie Lust, Amerika zu entdecken?» Hoepker war damals 27 Jahre alt. Die drei Monate in den USA erwiesen sich als stilbildend: Die Fotos prägten das Bild der US-Provinz weit über Deutschland hinaus. Hoepker machte Bilder fern des bewunderten «American Way of Life», sondern zeigte ein Land der Widersprüche.

Knapp 60 Jahre später nun hat der Dokumentarfilmer Nahuel Lopez Thomas Hoepker auf einer weiteren Reise durch die USA begleitet. Entstanden ist ein Film, der Vergangenheit und Gegenwart verbindet.

Traumjob Fotograf?

Nach seiner USA-Reise war Hoepker ab 1964 als Fotoreporter für den «Stern» unterwegs. Er blieb dem Magazin treu und lehnte die erste Berufung in den illustren Kreis der Magnum-Fotografen ab. Beim «Stern» entstanden auch seine bekannten Bilder von der Boxerlegende Muhammad Ali.

Thomas Hoepker definierte sich lieber als Handwerker denn als Künstler. Auch hatte er das erforderliche Durchhaltevermögen, wie er sich später erinnerte: «Fotojournalismus: Dieser sogenannte Traumjob kann für manche auch zum Albtraum werden durch zu viel Druck. Man lebt ausschliesslich in Hotels und im Flugzeug.»

Eine Reise gegen das Vergessen

Vieles aus dem Leben des Thomas Hoepker erfährt man in diesem Dokumentarfilm fast nebenbei: aus alten Interviews, über die alten Fotos und über die Gespräch des 85-Jährigen mit seiner Frau Christine Kruchen.

Mit ihr fährt er im Wohnmobil von Southampton in New York quer durch die USA an den Pazifik – im Pandemiejahr 2020. Die beiden fahren am Tag nach Joe Bidens Wahlsieg los. Ihre ersten Stationen führen sie tief ins Trump-Country. Ein verblüffend gegenwärtiger Film.

Die Reise ist ein letztes Aufbäumen gegen das Vergessen. Die Alzheimer-Krankheit hat Hoepker schon so zugesetzt, dass er beim klinischen Test nicht einmal mehr sagen kann, in welchem Jahr er lebt.

Bilder halten länger als Erinnerungen

Aber dank der liebevollen Fürsorge von Christine Kruchen bleibt Hoepker fröhlich und gut gelaunt. Er lässt sich auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn sie ihm alte Freunde oder gar die eigenen Kinder in Erinnerung rufen muss. Er hält sich an seine Bilder. Diese tragen auch sein Gedächtnis und halten, wie er verschmitzt feststellt, länger als die Erinnerung an das, was er eben gegessen hat. «Das ist das Schöne am Fotografieren. Es ist das, was da ist. Das bleibt.»

Ein Paar im Gegenlicht: Umrisse vor der Golden Gate Bridge, schauen aufs Wasser.
Legende: Thomas Hoepker begibt sich auf eine Erinnerungsreise mit Ehefrau und Filmemacherin Christine Kruchen. DCM

Dabei ist diese Reise im Wohnmobil nicht etwa ein reiner Nostalgie-Trip. Hoepker fotografiert unentwegt. Christine Kruchen macht ihn auf Motive aufmerksam und auf Parallelen zu seiner ersten solchen Reise anfangs der 1960er-Jahre.

Dazwischen montiert Dokumentarfilmer Nahuel Lopez immer wieder Erinnerungen an Hoepker: ikonisch gewordene Fotos, etwa jene von Muhammad Ali, der mit seiner Parkinson Erkrankung Hoepkers Lebensweg vorweggenommen hat.

«Dear Memories» heisst der Film, mit dem Untertitel «Eine Reise mit dem Magnum-Fotografen Thomas Hoepker». Das klingt so nüchtern. Dabei ist Nahuel Lopez in Zusammenarbeit mit dem Fotografen und seiner Frau ein höchst ungewöhnliches Kunst-, Lebens- und Zeitdokument gelungen. Auch diese letzte Reise Hoepkers verknüpft Geschichte mit Gegenwart.

Kinostart: 30.06.2022

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 01.07.2022, 8:15 Uhr ; 

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