Es ist eine überwältigende Leichtigkeit, die uns in der ersten halben Stunde des Films «Amanda» mitreisst. Gerne fahren wir mit dem charmanten Protagonisten David auf dem Fahrrad durch das frühlingshafte Paris.
Wir springen mit ihm zwischen seinen Gelegenheitsjobs hin und her oder sehen ihm dabei zu, wie er sich in seine Nachbarin Léna verliebt. Wenn er es deshalb auch mal versäumt, die Tochter seiner alleinerziehenden Schwester rechtzeitig von der Schule abzuholen, verzeiht man ihm.
Niemals hätte es sich der 24-Jährige vorstellen können, dass er eines Tages das volle Sorgerecht für die Kleine übernehmen muss. Denn Amandas Mutter stirbt bei einer brutalen Schiesserei in einem Park in Paris.
Alltag statt Pathos
David muss von einem Tag auf den anderen erwachsen werden. Entgegen der Schwere, die eine solche Prämisse erwarten lässt, kippt der Film aber nicht plötzlich in eine übertriebene Tragik.
Die Intention des Regisseurs Mikhaël Hers ist von Anfang an spürbar. Anstatt auf Drama setzt er auf Einfachheit, indem er den Fokus auf den Alltag nach so einem Schicksalsschlag legt.
Der Film wirkt wie ein Kontrastprogramm zum Sensationalismus, der nach solchen Tragödien die Medien dominiert.
Wenn ein geliebter Mensch stirbt
Mikhaël Hers beweist durchgehend Feingefühl bei der Darstellung, wie David und Amanda mit dem Tod der Mutter umgehen.
Das Verständnis, das die Figuren während des Trauerprozesses füreinander haben, berührt. Ebenso wie die Szenen der Zerbrechlichkeit. Zum Beispiel, wenn David vor seinem Freund Axel in Tränen ausbricht und zugibt, wie überfordert er mit der Situation ist.
Ein subtil verändertes Paris
Die Auswirkungen des Attentats auf die Stadt werden nur ganz diskret gezeigt. Plötzlich stehen Sicherheitsleute vor öffentlichen Plätzen.
David muss durch eine Sicherheitskontrolle, bevor er mit Amanda Minigolf spielen kann. Das Wort «Attentat» wird im ganzen Film nur einmal indirekt über TV-Nachrichten erwähnt, die in einer Bar laufen.
Persönlich statt politisch
Es ist ein unerwarteter und interessanter Ansatz, die Auswirkungen eines Terror-Anschlags auf so intime und nicht effekthascherische Art zu behandeln.
Dass die politische Dimension von islamistischem Terror fast ganz ausgeblendet wird, wirkt mit der Zeit aber doch befremdlich.
Auch dass das Thema zwischen den Figuren nie wirklich angesprochen wird, erscheint unglaubwürdig. Wenn das Thema der Religion nur ganz oberflächlich zwischen Amanda und David in einer Szene zu Wort kommt, erscheinen die Protagonisten dabei etwas naiv. Vermeidet es der Regisseur vielleicht bewusst, eine klare Aussage zu machen?
Das Leben geht weiter
Die Stärke des Films liegt in der sensiblen Behandlung des Themas Trauer. Mit Feingefühl zeichnet er die Entwicklung der Charaktere.
Nach und nach bahnen die sich diese ihren Weg zurück in die Normalität und beweisen, dass das Leben auch nach dem Verlust eines geliebten Menschen weitergehen kann.
Kinostart: 6. Juni 2019