«Warum kann ich nicht meinen Koala-Pulli anziehen?», frägt die kleine Rose ihren Vater. Dieser versteht nur Bahnhof: «Welcher Koala-Pulli?» Die Tochter energisch: «Der Koala-Pulli, der flauschige.» «Ich sehe keine Koalas», antwortet der gestresste Vater.
Die Mutter hat sich soeben aus dem Staub gemacht. Einfach so. Von einem Tag auf den anderen. Ohne Vorwarnung. Zurück bleiben: Olivier, ein völlig überforderter Vater und seine beiden Kinder: Rosa und Elliot.
Olivier arbeitet als Teamleiter in einem Versandhaus. Die Arbeitsbedingungen sind mies: Die Angestellten frieren in einer dunklen Lagerhalle und müssen unbezahlte Überstunden leisten.
Im belgisch-französischen Drama «Nos batailles» hat Vater Olivier nichts mehr unter Kontrolle. Um sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen , muss er sich nicht nur in seiner Rolle als Vater neu finden. Denn auch im Betrieb ist er gefordert.
Das stärkste Zitat
Vater Olivier bekommt Hilfe von seiner Mutter. Sie wirft ihm vor, dass er nie da ist und seine Kinder immer allein zu Hause sind:
Olivier: «Im Moment ist es etwas kompliziert, okay? Ich habe nicht viel Zeit.»
Mutter insistiert: «Du bist nicht da.»
Olivier: «Ich bin da.»
Der Regisseur
«Nos batailles» ist der zweite Spielfilm des französisch-belgischen Regisseurs Guillaume Senez. Bisher legte der 41-jährige Filmemacher den Fokus auf Konflikte, die innerhalb der Familie liegen.
So auch in seinem Debütfilm «Keeper», der am Filmfestival in Locarno Premiere feierte und zahlreiche internationale Preise gewann. In einem Interview sagte Guillaume Senez: «Das Leben ist ein Kampf.»
Fakten, die man wissen sollte
Im Film von Guillaume Senez geht es neben der familiären Krise auch um den Kampf für faire Arbeitsverhältnisse. Olivier setzt sich immer wieder für das Wohl seiner Mitarbeiter ein, kommt aber gegen die Firmenleitung nicht an. Deshalb organisieren er und seine Kollegen sich in einer Gewerkschaft.
So ist es kaum verwunderlich, dass der Protest von Arbeitern im französischen Kino mehrfach thematisiert wurde.
Nahezu zeitgleich zu «Nos batailles» kam in Frankreich «En guerre» auf die Leinwand. Im Spielfilm geht es um den Kampf eines Gewerkschaftlers gegen die Schliessung einer Autofabrik.
Ein paar Monate nach dem Kinostart der beiden Filme, begannen die sogenannten Gelbwesten in Frankreich auf die Strassen zu gehen. Sie fordern unter anderem mehr soziale Gerechtigkeit und einen höheren Mindestlohn.
Das Urteil
Wie der Titel verrät geht es bei «Nos batailles» um einen Kampf. Und zwar um einen Kampf an zwei Fronten: in der Familie und bei der Arbeit. Das belgisch-französische Drama verlässt dabei nie die Erzählperspektive ihres Protagonisten Olivier. Das ist die Stärke des Films. Romain Duris verkörpert den verzweifelten Vater sehr authentisch und glaubwürdig. Der Zuschauer leidet richtiggehend mit ihm mit.
In «Nos batailles» sucht man vergeblich nach dem starken Mann, der alles im Griff hat und in jeder Situation die Oberhand behält. Damit bricht das Drama mit dem Stereotyp des starken Mannes. Regisseur Senez plädiert dafür, dass sich dieses Männerbild durchsetzt. Denn die wirkliche Stärke eines Mannes liegt darin, sich auch seine Schwächen einzugestehen.
Kinostart: 02.5.2019