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«Unser Vater» – der Vikar und seine sechs Kinder
Aus 10 vor 10 vom 29.03.2023.
Bild: Recycled Tv AG / Filmbringer Distribution AG abspielen. Laufzeit 6 Minuten 25 Sekunden.
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Neu im Kino Dokufilm «Unser Vater»: Der Vikar, der sechs Kinder zeugte

Ein Vikar schwängert in den 1950ern und 1960ern in der Schweizer Provinz mehrere Frauen und lässt sie sitzen. Im Dokufilm «Unser Vater» brechen die Kinder des Vikars ihr jahrzehntelanges Schweigen. Was wusste der Churer Bischof von den Vorgängen?

Als Anton Ebnöther 1949 in Bülach seine zweite Stelle als Vikar antritt, hat er sich mit seinen Frauengeschichten bereits einen Ruf eingehandelt. Er hoffe, «dass Sie von Bülach nicht Dinge hören müssen, die Sie von St. Moritz hören mussten», schreibt er in einem Brief an den damaligen Bischof Caminada.

«Hochwürdigster Gnädigster Herr, in St. Moritz werde ich in Ruhe verschwinden und alle ‹Abschiedsszenen› nach Möglichkeit vermeiden», so der Vikar weiter.

Zwei Jahre später wird Lisbeth Binder geboren. Ihre Mutter Antonia Müller ist Pfarrköchin in Bülach und wird vom Vikar sexuell missbraucht.

Im Dokufilm «Unser Vater» erinnert sich die hochbetagte Frau an den Vorfall: «Er kam in der Nacht, und ich konnte mich nicht wehren. Er hat mich genommen, erdrückt und weggeworfen.» 1952 und 1953 kommen zwei weitere Kinder zur Welt, aus einer Affäre Ebnöthers mit einer verheirateten Frau.

Zum Regisseur Miklós Gimes

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Legende: Miklós Gimes /aza

Der Dokumentarfilmer und Journalist Miklós Gimes war unter anderen beim «Tages-Anzeiger» und als Stellvertretender Chefredaktor des «Magazin» tätig.
Er veröffentlichte mehrere Dokumentarfilme, darunter den Film «Mutter» (2002) über seine Mutter sowie seine Grossmutter, die ungarische Psychoanalytikerin Lilly Hajdu-Gimes. 2010 erschien «Bad Boy Kummer» über den umstrittenen Journalisten Tom Kummer.

Vikar und Chorleiter Anton Ebnöther gilt als attraktiv, einnehmend und leutselig. Doch sein Umgang mit Frauen sorgt auch in Bülach für Gerede. 1953 rechtfertigt er sich in einem Brief an den Bischof. Die Vaterschaften erwähnt er mit keinem Wort, dafür Affären mit anderen Frauen:

«Leider ist was vorgefallen, ja. Doch, lieber gnädiger Herr, ich kann Sie versichern, dass mit jenem Fräulein in Zürich jegliche Beziehungen gebrochen und sogar der letzte Rest von Sympathie erstorben ist. Und ein anderes Fräulein aus Österreich, die für mich hätte eine Gefahr werden können, ist bereits im Juni wieder nach Hause gezogen.»

Der damalige Bischof gibt ihm noch eine Chance, wie eine handschriftliche Aktennotiz zeigt: «Vikar Ebnöther bleibt auf Wohlverhalten hin noch in Bülach. Pfarrer Basler weiss um seine Schwächen.»

Wie viel wusste der Bischof?

Der heutige Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain entschuldigt sich im Dokufilm offiziell bei den sechs Kindern. In den Akten des Bistums sei nirgendwo von Kindern die Rede, sagt er: «Ich kann weder bejahen noch verneinen, dass der damalige Bischof etwas davon wusste. Sicher war der Bischof sich bewusst, dass er sich nicht richtig verhält.» Mehr sei in den Akten nicht vorhanden.

Eine ältere Frau und ein älterer Mann sitzen an einem Tisch. Er stützt traurig sein Kinn in seine Hand, sie tröstet ihn.
Legende: Bei den Dreharbeiten zu «Unser Vater» kamen bei den Nachkommen von Anton Ebnöther viele Gefühle hoch. Hier zu sehen: die Geschwister Toni und Christina Meier. Recycled Tv AG / Filmbringer Distribution AG

Ob der Bischof mündlich von den Kindern erfahren habe, könne er jedoch nicht ausschliessen, so Bonnemain. Filmregisseur Miklós Gimes meint dazu, dass man damals ganz heikle Themen nicht aufgeschrieben habe, «wie zum Beispiel, wenn ein Pfarrer ein Kind hat. Das besprach man damals mündlich, zwischen dem Vorgesetzten und dem Bischof oder den Betroffenen.»

Die Scham war lang zu gross

1958 befindet sich Ebnöther nach einem Unfall zur Reha in Klosters (GR). Dort missbraucht und schwängert der katholische Geistliche eine 21-jährige Frau, die Kommissionen ins Pfarrhaus bringt.

«Er sagte: ‹Komm ein bisschen ins Bett, da haben wir wärmer›», erinnert sich Rita Schuler im Film. «Es war nicht warm. Dann habe ich mich halt zu ihm hingelegt, und er hat das gemacht.» Sie habe gar nicht verstanden, was er tat. Danach habe sie jedoch gemerkt, dass es wehtat.

Ein Schweizer Chalet in verschneiter Landschaft
Legende: Die Berggaststätte «Sunneschy» im Prättigau. Hier war Anton Ebnöther als Wirt tätig. Recycled Tv AG / Filmbringer Distribution AG

Kurz danach kauft sich Ebnöther eine Pension im Prättigau, wird Wirt – und aus einer weiteren Beziehung noch zweimal Vater. Die meisten seiner Kinder erfahren erst spät, dass sie die Kinder eines katholischen Geistlichen sind. Die Scham ihrer Mütter war dazu lange Zeit zu gross.

Kinostart «Unser Vater»: 6.4.2023.

SRF-Koproduktion

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Der Dokumentarfilm «Unser Vater» von Miklós Gimes wurde von SRF koproduziert.

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SRF 10 vor 10, 29.03.2023, 21:50

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