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Filmkritik zu «Drii Winter»
Aus Kultur-Aktualität vom 31.08.2022. Bild: Hugofilm
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Neu im Kino «Drii Winter»: Ein Schweizer Filmjuwel verzaubert das Publikum

«Drii Winter» von Michael Koch ist magisches Kinokunstwerk. Der Basler Regisseur hat das unaufgeregte Bergdrama mit Laiendarstellern gedreht. Der Film steigt ins Nominierungsrennen um einen Oscar.

Das stille Schweizer Bergdrama «Drii Winter» macht spürbar, wie magisch Kino sein kann. Ohne grosse Worte, ohne laute Dramatik und ohne Schauspielstars.

Regisseur Michael Koch hat ausschliesslich mit Laien gearbeitet. Wer die beiden Hauptdarsteller Michèle Brand und Simon Wisler googelt, findet eine Urner Architektin und einen Bergbauern aus Parpan. Dieser sieht aus wie ein Schwingerkönig, bullig und kräftig.

Er spielt Marco, einen Unterländer aus Willisau, der beim Bergbauern Alois auf den Isenthaler Alpen über dem Urner See arbeitet. Er ist mit Anna zusammen, die im Tal als Pöstlerin und im Wirtshaus der Mutter arbeitet. Aus einer früheren Beziehung hat sie ein Kind: Julia.

Eine frau umarmt einen Mann
Legende: Die grosse Liebe zwischen Anna und Marco ist in jeder Einstellung spürbar. Armin Dierolf / Hugofilm

Eine grosse, zerbrechliche Liebe

Am Stammtisch wird über den «Neuen» aus dem Unterland gesprochen: Ob es wohl hält mit der Anna? Zupacken könne er ja, der Marco, auch wenn er statt Bier nur Eistee trinkt.

«Drii Winter» bald im Oscar-Rennen?

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Die SRG-Koproduktion «Drii Winter» vertritt die Schweiz im Rennen um einen Oscar: Das Bundesamt für Kultur hat den Film von Michael Koch bei der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Hollywood in der Kategorie «bester internationaler Film» eingereicht. Im Dezember 2022 wird bekannt gegeben, ob es der Film auf die Short List der für einen Oscar nominierbaren Filme schafft.

Marco spricht wenig. Aber die Liebe der beiden ist in jedem Bild, in jeder Szene spürbar. Es ist eine feine, stille, aber grosse Liebe, die bald auch die kleine Julia miteinschliesst. Anna heiratet Marco, für Julia wird er zum «Daddy».

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Dann aber wird Marco komisch. Bleibt regungslos am Tisch sitzen, wenn er arbeiten sollte, klagt über Kopfweh, vergisst eine Kuh im Schnee. Ein Gehirntumor, lautet die erschütternde Diagnose des Arztes.

Der Tumor befinde sich im Impulszentrum, Marcos Persönlichkeit werde sich verändern. Und Marco verändert sich, so, dass nicht nur die kleine Familie, sondern die ganze Dorfstruktur plötzlich fragil und zerbrechlich werden.

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Aus dem Archiv: Gespräch mit Michael Koch am Filmfestival Locarno
aus Kultur kompakt vom 11.08.2016. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 25 Minuten 49 Sekunden.

Wie die Landschaft, so die Menschen

Michael Koch erzählt die hochdramatische Geschichte in stillen, langsamen Bildern – der deutsche Kameramann Armin Dierolf fängt das Urner Hochtal und seine Alpen mit fast dokumentarischem Blick ein.

Die Menschen mit ihren Geschichten sind ohne die raue, steile und doch wunderschöne Landschaft nicht zu denken. Sie glaube nicht an Gott, sagt die kleine Julia einmal zu Marco. Sie glaube an die Berge, die Bäume, die Tiere, die Steine und den Schnee.

Frau in sonniger Berglandschaft
Legende: Rau und wunderschön: Die Menschen in «Drii Winter» sind von der Landschaft geprägt. Armin Dierolf / hugofilm

Dramaturgische Überraschungen

Immer wieder bricht Michael Koch die fast dokumentarisch erzählte Geschichte. Ein uniformierter Chor steht in der Landschaft, der das Geschehen wie in einer griechischen Tragödie kommentiert und das Drama in fünf Akte gliedert.

Einmal dreht ein indisches Filmteam eine Sing- und Tanzszene im Schnee. Diese Unterbrechungen des Erzählflusses sind bizarr, und dennoch stimmig. Sie machen diesen Film zum Kunstwerk.

Chor in grünen Uniformen steht mitten in einer Berglandschaft
Legende: Der Chor bricht die fast dokumentarische Perspektive des Filmes. Armin Dierolf / hugofilm

Gedreht ist dieses Filmjuwel in einem schmalen, fast quadratischen Bildformat – auch das ist heute ein ungewöhnlicher Blick im Kino.

Michael Koch schafft mit dem Drama «Drii Winter», was wenigen Filmen gelingt: eine Atmosphäre, die den ganzen, über zweistündigen Film hinweg trägt. Damit hat er bereits an der diesjährigen Berlinale das Publikum verzaubert.

Kinostart: 01.09.2022

SRF-Koproduktion

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SRF hat «Drii Winter» koproduziert.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 31.08.2022, 7:06 Uhr.

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