Familie und Freunde bezeugen, dass er zur Tatzeit mit ihnen an einer Feier war. Ein Automechaniker schwört, dass sein Fahrzeug anders aussieht als dasjenige, das am Tatort gesehen wurde. Ein Polizist sagt, dass die Aussage des einzigen Zeugen nicht stimmen kann.
Trotzdem wird der Afroamerikaner Walter McMillian 1988 in Alabama wegen Mordes zum Tode verurteilt.
Später übernimmt der junge Anwalt Bryan Stevenson. Es wird sein erster grosser Fall. Stevenson deckt auf, wie viel im US-Justizsystem falsch läuft. Wie oft Schwarze oder Arme benachteiligt werden.
Auf diesen Fall konzentriert sich der Film «Just Mercy». Jahrelang kämpft der Anwalt (Michael B. Jordan) für den Todeskandidaten (Jamie Foxx). Und damit gegen Vorurteile und Rassismus.
Doch Walter McMillian ist nur einer von über 115 Menschen, die Bryan Stevenson und seine Organisation in den letzten 30 Jahren vor dem Tod bewahrt haben.
«Einer von drei schwarzen Männern landet im Gefängnis»
«Die USA hat weltweit die höchste Inhaftierungsrate», sagt der heute 60-jährige Anwalt an der Filmpremiere. «Statistisch gesehen landet einer von drei schwarzen Männern im Gefängnis.» Für Stevenson ist dieser Umstand ein klarer Fall von Rassenungleichheit.
Bryan Stevensons Urgrosseltern waren Sklaven. Er selbst ging zuerst auf eine Schule nur für Schwarze. Später studierte er an der Elite-Uni Harvard. Beste Chancen auf eine prestigeträchtige Karriere und viel Geld.
Stattdessen gründete er nach seinem Abschluss die Non-Profit-Organisation Equal Justice Initiative. Auf Deutsch: Initiative für gleiche Gerechtigkeit. Diese setzt sich unentgeltlich für Verurteilte ein, die sich keinen richtigen Anwalt leisten konnten.
Laut Stevenson ist einer von 9 zum Tode Verurteilten unschuldig. «Das Rechtssystem in diesem Land behandelt dich besser, wenn du reich und schuldig bist, als wenn du arm und unschuldig bist», sagt er in einem TED-Talk.
Stevenson vertritt aber auch Menschen, die schuldig sind. Dafür wird er kritisiert. Doch er sagt: Hätten sich diese Menschen einen guten Anwalt leisten können, wären sie niemals so hart bestraft worden.
Nelson Mandela der USA
Nebst seiner Aktivität vor Gericht setzt sich Stevenson auch dafür ein, dass sich die USA ihrer Geschichte bewusst werden. «Die Sklaverei wurde abgeschafft», sagt er in einem Interview. «Doch sie wurde nie aufgearbeitet. Das Rassendenken führt heute zu Ungerechtigkeit vor Gericht.»
Seine Arbeit hat Stevenson bekannt gemacht. Der südafrikanische Geistliche Desmond Tutu nannte ihn «Amerikas Mandela». Präsident Barack Obama vertraute in Rechtsfragen mit rassistischem Hintergrund auf seinen Rat.
«Just Mercy»: Figurentwicklung Fehlanzeige
Der Film «Just Mercy» zeigt seine Anfänge, wird der Person Bryan Stevenson aber nur bedingt gerecht. Seine Figur ist ziemlich eindimensional: Von vornherein ein Gutmensch, der den Schwachen helfen will. Figurenentwicklung? Fehlanzeige.
Aber die Brisanz des Falles und die gezeigte Widerwärtigkeit der rassistischen Gegner machen den Film sehenswert. Verdeutlichen, warum Bryan Stevenson seinen Kampf bis heute kämpft.
«Just Mercy» lebt von der Tatsache, dass dies eine wahre Geschichte ist. Und solche Fälle in den Vereinigten Staaten gar nicht so selten vorkommen. Deshalb ist der Film wichtig.
Kleiner Tipp: Viel informativer und tiefgründiger als der Film ist die Vorlage. Bryan Stevensons Autobiografie «Just Mercy: A Story of Justice and Redemption» (deutscher Titel: «Ohne Gnade – Polizeigewalt und Justizwillkür in den USA»).
Kinostart: 27.2.2020