Ein schickes Hotel irgendwo in Massachusetts. Robert McCall, ein grosser Afroamerikaner um die 50, klopft an die Zimmertür. Ein junger Mann, etwa 30-jährig, macht auf.
Exakt 29 Sekunden später liegen der junge Mann und seine Freunde verletzt am Boden. Robert McCall hat Rache genommen. Für eine Frau, die sie vergewaltigt haben. Die Täter sind alle weiss.
Robert McCall, gespielt von Denzel Washington, ist ein ehemaliger Geheimagent. Er kämpft im Actionfilm «Equalizer 2» auf seine Weise für Gerechtigkeit, hilft Menschen in Not.
Als eine alte Freundin aus CIA-Tagen ermordet wird, legt er sich mit einem korrupten Regierungsagenten und dessen Söldnertruppe an. Auch sie sind alles Weisse.
Popcorn- statt Politkino
Regisseur des Films ist Antoine Fuqua. Der Afroamerikaner macht Popcornfilme – erfolgreich und für die breite Masse. Aber seine Filme sind mehr als blosse Unterhaltung.
Laut ist die Action, leise die politische Botschaft im Hintergrund. Auch in «Equalizer 2», seinem neusten Film, den er auf dem Filmfestival Locarno auf der Piazza Grande präsentierte.
«Die Welt braucht mehr Gerechtigkeit»
Fuqua ist kein politischer Regisseur. Der 52-jährige Amerikaner will Unterhaltungsfilme machen, was ihn aber nicht daran hindert, Rassismus und Ungerechtigkeit zu thematisieren.
«Gerechtigkeit ist wichtig in meinem Leben», sagt Antoine Fuqua im Interview, «Ich bin mit Menschen aufgewachsen, die rumgeschubst wurden – wegen ihrer Hautfarbe, weil sie pleite waren. Menschen sollten nicht fertig gemacht und falsch behandelt werden, egal weswegen. Ich denke, die Welt braucht mehr Gerechtigkeit.»
Historischer Unsinn
In seinem Streben nach Gerechtigkeit korrigiert Antoine Fuqua fehlerhafte Geschichtsschreibung. Den Mythos vom wilden Westen der Weissen, den Hollywood mitgeschrieben hat, hat er auf der Leinwand zerstört.
Die Welt der Cowboys war in der Realität bevölkert von den verschiedensten Ethnien. Aber die tauchen in den Geschichtsbüchern kaum auf – und auch nicht in den Filmen über die Pionierzeit.
Und so rechnete Antoine Fuqua in seinem bisher einzigen Western («The Magnificent Seven») mit dem historischen Unsinn ab und liess den afroamerikanischen Superstar Denzel Washington mit einer Multi-Kulti-Truppe über die Prärie reiten.
«Es ist leichter zu träumen.»
Antoine Fuqua macht Filme in einer Zeit, in der Rassismus und Gewalt gegen Schwarze wieder zunehmen.
Und wie reagiert der Regisseur? Er schickt seinen Equalizer, seinen Ausgleicher los. Einen Afroamerikaner, der weisse Gewalttäter umbringt. Es ist ein Film-Traum von Revanche, vom Sieg. Es ist ein amerikanischer Traum.
«Der Traum von Amerika ist, dass alles fair ist», sagt Fuqua: «Aber das ist nicht die Realität. Amerika ist ein Ort, der sich nicht immer der Wahrheit stellt. Es ist leichter zu träumen.»
Wie der Weg für junge Afro-Amerikaner in der Realität aussehen könnte, um sich in der heutigen Welt zu behaupten, damit beschäftigt sich Antoine Fuqua in «Equalizer 2».
Ta-Nehisi Coates als Ratgeber
Robert McCall holt den jungen Miles, der in seiner Nachbarschaft wohnt, aus den Fängen einer Gang, die dem Jungen falsche Sicherheit und Stärke vermittelt.
Später gibt er Miles ein Buch: «Between the World and Me», von Ta-Nehisi Coates, einem Afroamerikaner aus dem Ghetto Baltimores, eine der grossen Stimmen des schwarzen Amerikas.
Ta-Nehisi Coates schreibt über die Gewalt, die den Schwarzen durch Sklaverei und Rassismus angetan wurde, er schreibt über die Gewalt, vor der der Equalizer Miles retten will: «Schwarz zu sein bedeutet, den Elementen der Welt – Schusswaffen, Fäusten, Messern, Crack, Vergewaltigung, Krankheit – nackt ausgeliefert zu sein.»
Aufwachsen als Afroamerikaner
Antoine Fuqua und Denzel Washington, die beiden sind befreundet, haben im Vorfeld der Dreharbeiten zu «Equalizer 2» viel über Ta-Nehisi Coates Buch gesprochen. In «Between the World and Me» schreibt Coates an seinen 15-jährigen Sohn und erklärt, wie es ist, als Afroamerikaner in Amerika aufzuwachsen.
«Wir hatten das Gefühl, dass es wichtig war, einer Figur wie Miles etwas zu geben, damit er seinen Platz in der Welt versteht», sagt Antoine Fuqua.
Bildung ist alles
Ein Buch als Leitfaden fürs Leben. Der Equalizer Robert McCall liest, wenn er nicht liquidiert. Seinem Schützling Mike vermittelt er, wie wichtig Bildung ist; dass nicht Gangzugehörigkeit, sondern Wissen zu Selbstbewusstsein, Befreiung und Gleichberechtigung führen.
Im Geiste Obamas
Antoine Fuqua lässt seinen Helden im Geiste des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama handeln, der sagte, dass die Emanzipation der Schwarzen nur über Bildung und nicht über Gewalt funktionieren könne.
Fuqua glaubt an eine positive Zukunft: «Ich denke, es gibt Hoffnung. Ich bin nicht der Meinung, dass die Zukunft von Afroamerikaner düster sein wird. Ich denke, Afroamerikaner müssen weiter gegen die Ungerechtigkeit kämpfen, aber nicht mit Gewalt.»
Kinostart: 16.8.2018
Sendung: SRF 1, Filmfestival Locarno 2018 - Das Spezial, 8.8.2018, 22.25 Uhr