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Neu im Kino «Hereditary»: Ein Horrorfilm wie in der Schaubude

Es heisst, der Horrorfilm «Hereditary» sei sehr innovativ und furchteinflössend. Das ist er nicht.

Gestandene Filmfans kennen das: Alle zwei bis drei Jahre kommt ein Horrorstreifen in die Kinos, der vorab als die Neuerfindung des Genres gehandelt wird.

Als einer der grusligsten Filme seit Jahren, wenn nicht gar seit Jahrzehnten. Als die Ankunft eines neuen Sterns am Horrorfilmhimmel – in diesem Fall der New Yorker Autor und Regisseur Ari Aster.

So spricht die Welt zurzeit über den Film «Hereditary». Die Geschichte über eine dysfunktionale Familie, auf der ein Fluch zu lasten scheint, ist in aller Munde.

Eine Familie sitzt in einem düsteren Wohnzimmer um den Tisch
Legende: «Hereditary» erzählt die Geschichte einer Familie, die scheinbar vom Pech verfolgt wird. Ascot Elite

Doch was man wissen muss: Ein solcher Ruf entsteht nicht unbedingt, weil sich die Presse tatsächlich mit Lob überschlägt. Er entsteht, weil sich die Vermarktungsverantwortlichen entschlossen haben, eine Prestige-Kampagne zu fahren und einen Buzz in die Welt zu setzen.

Eine solche Strategie ist freilich mit einem Risiko verbunden: Der derart beworbene Film sollte den selbstgestreuten Vorschusslorbeeren auch gerecht werden. Sonst geht der Schuss nach hinten los.

Sternstunde oder heisse Luft?

Die Schweizer Premiere von «Hereditary» fand letzte Woche am Neuchâtel International Fantastic Film Festival NIFFF statt – wenig überraschend vor ausverkauften Rängen.

Das horrorfreudige Publikum in Neuenburg hatte Wind bekommen von diesem Buzz, und es wollte wissen, was dran ist an der Sache. Ist «Hereditary» nun die versprochene Sternstunde, oder doch nur heisse Luft?

Eine Frau blickt nachdenklich
Legende: Regisseur und Drehbuchautor Ari Aster trieb die Schauspielerinnen und Schauspieler zu Höchstleistungen an. Ascot Elite

Die Wahrheit liegt in der Mitte. «Hereditary» ist das Werk eines Mannes, der weiss, wie wirksamer, ungewöhnlicher Horror geht, und der eine sichere Hand hat für Schocks und visuelle Spielereien. Und es ist das Werk eines Mannes, der weiss, wie man einen brillanten Cast zu Höchstleistungen animiert.

Aber die Bestnote kann man «Hereditary» trotzdem nicht geben: Auf der ästhetischen Ebene wird trotz originellen Effekten nicht wirklich Neuland betreten, und auf der Gruselskala gelingen zwar ein paar solide Treffer, aber Höchstwerte werden keine erzielt.

Schocks, die Gelächter erzeugen

Gewöhnungsbedürftig ist an «Hereditary» vor allem, dass der Film einen recht bizarren Schlingerkurs fährt zwischen ernsten, tragischen Momenten und gelegentlichen Schocks, die derart übertrieben sind, dass sie zum Lachen verleiten.

Diese Strategie des Autors verunsichert. Man fragt sich: Wie viel von dieser rabenschwarzen Komik ist gewollt? Driftet Aster wirklich vollkommen freiwillig derart tief in die Gefilde des Lächerlichen ab?

Eine Frau beobachtet schockiert eine brennende Person
Legende: Absicht oder nicht? Manche Schockmomente sorgen für Gelächter. Ascot Elite

Man kann durchaus von Kalkül ausgehen. Aster legt mit seinem anfänglich ernsten Drama über die entfremdeten, entseelten Mitglieder einer vom Pech verfolgten Familie bewusst eine falsche Fährte.

Er bewegt sich nach der Exposition gezielt weg vom psychologischen Horror und verwandelt seinen Film in ein spiritistisch-okkultes Hokuspokus-Spektakel mit Grand-Guignol-Kruditäten, das am Ende unmöglich ernst gemeint sein kann.

Falsche Erwartungen geweckt

Diese konsequente tonale Verschiebung von einem beklemmenden Familienporträt zu einer überdrehten Spukgeschichte macht Sinn – vorausgesetzt, man sieht sie kommen und ist gewillt, den Wandel vom unterschwellig Absurden zum offensichtlich Grotesken mitzutragen.

Trotzdem wird diese späte Hinwendung zum Schaubudenhorror all diejenigen Menschen im Kino frustrieren, die gekommen sind, um den Film und seine Figuren ernst zu nehmen. Und da «Hereditary» als ein aussergewöhnlich furchterregendes Meisterwerk verkauft wird, dürften dies nicht wenige sein.

Kinostart: 19.07.2018

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