Zum Inhalt springen

Neu im Kino «Jagdzeit»: Revierkampf im Massanzug

Wie hart geht es im Schweizer Big Business zu? Davon erzählt Sabine Boss in ihrem neuen spannungsreichen Drama.

Alexander Maier (Stefan Kurt) ist Finanzchef des Schweizer Automobilzulieferers Walser und das, was man heutzutage als «Workaholic» bezeichnet.

Unter seinem Ehrgeiz im Beruf leidet das Privatleben: Von seiner Frau lebt er getrennt und seinen jugendlichen Sohn versetzt er aufgrund professioneller Verpflichtungen regelmässig. Richtig aus den Fugen gerät Alexanders Leben allerdings erst, als die Walser-Gruppe einen neuen CEO erhält.

Der Deutsche Hans-Werner Brockmann (Ulrich Tukur) entlässt gleich zum Antritt den Grossteil der Geschäftsleitung. Alexander darf bleiben – doch sein neuer Chef gibt ihm schnell zu verstehen, dass er nicht mehr der dickste Fisch im Teich ist.

Es folgen perfide Psychospielchen und Machtkämpfe, die Alexander zunehmend zu schaffen machen.

Das angriffslustigste Zitat

Alexander Maier sitzt geistesabwesend in einem Sitzungszimmer.
Legende: Stefan Kurt steht als Alexander Maier seinem neuen Chef von Beginn weg skeptisch gegenüber. Ascot Elite Entertainment Group

«Was meinen Sie – kann ein Teppich das Geschäftsergebnis beeinflussen?», fragt CEO Brockmann Alexander, als er diesen zum ersten Mal in sein Büro bittet. Die Antwort des Finanzchefs: «Wenn Sie jeden Tag eine Stunde draufstarren…»

Die Regisseurin

Porträtfoto von Sabine Boss.
Legende: Preisgekrönt: Regisseurin und Drehbuchautorin Sabine Boss. Keystone/Ayse Yavas

Die gebürtige Aarauerin Sabine Boss ist seit zwei Jahrzehnten als Autorin und Regisseurin für Film, Fernsehen und Theater tätig.

Für ihre Adaption des Pedro-Lenz-Romans «Der Goalie bin ig» wurde sie 2014 mit zwei Schweizer Filmpreisen ausgezeichnet – für das beste Drehbuch und den besten Film.

Seit 2017 ist sie Studienleiterin der Fachrichtung Film an der Zürcher Hochschule der Künste.

Fakten, die man wissen sollte

Maier und Brockmann stossen in einem edlen Restaurant mit Weisswein an.
Legende: Fiktive Alphatiere unter sich: Maier und Brockmann gehen auf Tuchfühlung. Ascot Elite Entertainment Group

Mobbing, Machtkämpfe, Spionage: Die Prämisse des Films erinnert stark an Konflikte, die sich in jüngerer Vergangenheit in der Schweizer Wirtschaft zugetragen haben.

So sehr, dass sich die Produktionsfirma «Turnus Film» eine Woche vor Kinostart veranlasst sah, eine Medienmitteilung zu veröffentlichen.

Darin stand unter anderem: «Handlungen und Personen sind fiktiv. Insbesondere ist es uns ein Anliegen, klarzustellen, dass daher auch das Privatleben der Figuren im Film fiktiv ist und nicht das Familienleben realer Personen zeigt.»

Das Urteil

Hans-Werner Brockmann setzt im Sitzungszimmer zu einer Rede an.
Legende: Grossspurig und selbstgefällig: Ulrich Tukur überzeugt als Brockmann. Ascot Elite Entertainment Group

«Jagdzeit» ist ein gelungenes, spannungsreiches Drama. Ein Film, dessen spannendste Momente nicht aus Verschwörungstheorien oder Verfolgungsjagden bestehen, sondern sich in Sitzungszimmern, in Edel-Restaurants oder auf Power-Point-Folien finden lassen.

Vielleicht hat Drehbuchautorin und Regisseurin Sabine Boss befunden, dass sich zwielichtige Geschichten und kontroverse Charaktere hierzulande mehrheitlich im Wirtschafts-Ressort finden lassen.

Mit Stefan Kurt und Ulrich Tukur konnte Boss zwei Veteranen des deutschsprachigen Films für die Rollen von Maier und Brockmann gewinnen.

Beide beweisen eindrücklich, weshalb sie im deutschsprachigen Raum seit Jahrzehnten zu den renommierteren Vertretern ihres Fachs gehören – indem sie glaubwürdig verschiedene Varianten des egogetriebenen Alphatier-Manager-Stereotyps verkörpern: Kurts Alexander Maier ist ein getriebener, dünnhäutiger Perfektionist; Tukurs Hans-Werner Brockmann ein grossspuriger, selbstgefälliger Sonnenkönig.

Dieser spannend inszenierte und überzeugend gespielte Konflikt macht «Jagdzeit» zu einem sehenswerten Drama.

Kinostart: 20.2.2020

Meistgelesene Artikel