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Neu im Kino Krimi um eine angebliche Marien-Erscheinung

Die Mutter Gottes sei ihr erschienen, sagt eine junge Frau im französischen Film «L'apparition». Die Nachforschungen werden zum klerikalen Krimi.

Normalerweise berichtet der selbständige Reporter Jacques Mayano (Vincent Lindon) aus Kriegsgebieten. Er ist ein faktentreuer, unkorrumpierbarer Pragmatiker, der nur glaubt, was er sieht – und der hartnäckig nachforscht, wenn er etwas nicht sieht. Seinen letzten Einsatz hat er beinahe mit seinem Leben bezahlt.

Jetzt meldet sich der Vatikan bei ihm: Eine angebliche Marienerscheinung in Südfrankreich zieht scharenweise Pilger an. In Rom möchte man gerne wissen, was an der Sache dran ist. Darum bittet man Mayano um einen unabhängigen Bericht. Der Journalist soll die Glaubwürdigkeit der jungen Frau namens Anna (Galatéa Bellugi) abwägen, die der Heiligen Maria im Wald begegnet sein will.

Eine junge Frau mit Kapuzenpulli.
Legende: Anna (Galatéa Bellugi) behauptet, im Wald der Heiligen Maria begegnet zu sein. Praesens Film

Gretchenfragen

Wer einen Spielfilm über eine christliche Glaubensfrage macht, muss in der Regel ein paar schwere Entscheidungen treffen: Soll eine göttliche Präsenz im Film angedeutet werden oder nicht? Wählt man einen gläubigen, agnostischen oder atheistischen Standpunkt? In welchem Licht zeigt man die Kirche? Und nicht zuletzt: Wieviel von alledem überlässt man der Interpretation des Publikums?

Der Regisseur und Autor Xavier Giannoli («Marguerite»,«Quand j'étais chanteur») wählt durchwegs originelle und unerwartete Positionen. Die nicht gerade euphorisierende Ausgangslage, in der ein reiner Vernunftsmensch auf einen Vorfall angesetzt wird, der sich womöglich gar nicht rational erklären lässt, macht schon früh im Film weit interessanteren Konflikten Platz.

Zwischen den Fronten

Da ist zuerst ein innerkirchlicher Zwist: Im Vatikan möchte man die Debatte um angebliche Marienerscheinungen möglichst diskret führen, während die Pfarrgemeinde vor Ort an der Echtheit des Wunders festhält und mit dem Gedanken spielt, ein zweites Lourdes aufzubauen. Mayano steckt von Anfang an zwischen diesen beiden Fronten. Und für die Gläubigen vor Ort ist er mit seiner Fragerei nicht nur ein lästiger Gast, sondern gar eine bösartige Kraft, welche die Standfestigkeit ihres Glaubens auf die Probe stellt.

Ein Mann und ein Pfarrer mit goldenem Kreuz um den Hals. Beide in Schwarz gekleidet.
Legende: Im Vatikan möchte man die Debatte um angebliche Marienerscheinungen möglichst diskret führen. Praesens Film

Noch spannender wird der Film, als wir Anna näher kennenlernen: Sie ist keine Fanatikerin oder Frömmlerin, sondern ein ausgesprochen aufgeschlossener, sympathischer Mensch. Mayano muss sich gar fragen, ob er die Ungereimtheiten in ihrer Geschichte nicht doch lieber unter den Teppich kehren will.

Ein Krimi, kein Reisser

Die Story wird zu einer Art Krimi – Mayano stösst auf komplexe, dramatische Zusammenhänge, die von ihm nicht einfach die Akzeptanz einer spirituellen Dimension verlangen, sondern handfeste moralische Entscheidungen. Wobei es Giannoli während der ganzen Dauer des Films aber geschickt versteht, auf keine der beteiligten Personen mit dem Finger zu zeigen.

«L'apparition» ist in diesem Sinne ein rundum geglückter Film über eine christliche Glaubensfrage: Er verzichtet auf reisserische Elemente und er stellt keine unnötigen Thesen zur Religion und ihrer Praxis auf, sondern erzählt mit geschickt gesetzen Wendepunkten und leisem Humor von der menschlichen Erfahrung dahinter.

Sendung: Kultur aktuell, Radio SRF 2 Kultur, 24.5.18, 17.40 Uhr

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