Dem schrulligen Victor gelingt es nicht mehr, seine Frau Marianne zu beglücken. Sie sehnt sich nach einem Jüngeren und verliert sich völlig in der Technik von heute. Um die Misere zu beheben, hat Victors Sohn eine Idee. Die Firma seines Freundes Antoine soll seinen Vater wieder glücklich stimmen.
Diese bietet in ihrem Studio sorgfältig inszenierte «Zeitreisen» an: Mit Hilfe von Kulissen und Schauspielern wird unter Antoines Regie die Vergangenheit rekonstruiert.
Da Victor die 70er liebte, entscheidet er sich für diese Dekade. Genauer: Fürs Jahr 1974, in dem er seiner grossen Liebe, Marianne, zum ersten Mal begegnete. So werden die Pseudo-70er zur zweiten Erzählebene des Films.
Victor lässt sich immer mehr auf die arrangierte «Zeitreise» ein und schwelgt in Erinnerungen. Margot, die seine Frau Marianne in deren Blüte verkörpert, zieht Victor in ihren Bann. Bis er allzu tief in die inszenierte Welt einzutauchen droht.
Nostalgie auch vom Regisseur
«Victors Charakter habe ich von mir selbst und meinen Vater abgeleitet», erklärte Regisseur Nicolas Bedos in unserem Interview.
Am stärksten autobiografisch ist der Film allerdings auf seiner ersten Erzählebene: In welcher das Verhältnis zwischen dem Zeitreisen-Inszenator Antoine und der Schauspielerin Margot beleuchtet wird.
Die komplizierte Liebesbeziehung der beiden bezieht sich stark auf Nicolas Bedos’ eigene Vergangenheit mit Doria Tillier.
Will heissen: Die beiden führten einst eine Liebesbeziehung. Oder wie es Bedos im Interview ausdrückte: «Es ist kein Geheimnis, dass wir uns sehr nahestanden.»
Nicolas Bedos ist nicht nur Regisseur und Drehbuchautor. Als Schauspieler steht er oft selbst vor der Linse. Wäre er dann nicht die Idealbesetzung für Antoine gewesen?
«Ich und meine Produzenten haben es uns überlegt. Und uns dagegen entschieden, weil die Figur dann ganz ich gewesen wäre. Fast wie in einer Dokumentation. Der Film sollte aber einen fiktiven Charakter haben.»
Wenn die Schauspielerin eine Schauspielerin spielt
Doria Tillier spielt laut Bedos in «La belle époque» dagegen in gewisser Weise sich selbst. In der Rolle der Schauspielerin Margot verkörpert sie Victors grosse Liebe Marianne in den von Antoine inszenierten 70er Jahren.
Tillier selbst gab uns gegenüber zu Protokoll: «Eine Schauspielerin zu verkörpern ist aufregend und amüsant. Weil man zwar eine Rolle spielt, aber immer auch Dinge von sich selbst preisgibt.»
Eine Arbeitsweise, in der man sich komplett verlieren kann. Weil sich die Ebenen ständig verwischen, wie Tillier bestätigte: «Manchmal wusste ich nicht mehr: Bin ich nun Doria, die Margot spielt oder Margot, die Marianne verkörpert?»
Raffiniert inszeniert
«La belle époque» reisst einen mit. Immer wieder von einer Ebene zur anderen springend, bleibt man als Zuschauer dran und langweilt sich keine Sekunde.
Clevere Dialoge und die raffinierte Dramaturgie erleichtern einem das Eintauchen in die 70er. Mehr Nostalgie war nie. Inklusive der nötigen Portion Drama und Kitsch, die das Publikum erwartet.
Weniger vorhersehbar war die künstlerische Qualität, welche der Dramödie eine beeindruckende Festivalkarriere bescherte. Egal ob in Cannes, Toronto oder Rom – überall entzückte «La belle époque» sogar hartgesottene Filmkritiker.
Kinostart: 28.11.2019