Eine idyllische Pferderanch in Arizona, nahe der mexikanischen Grenze. In «Rambo: Last Blood» hat sich der Kriegsveteran zurückgezogen, um seinen Frieden zu finden.
Statt im gemütlichen Landhaus zu leben, haust Rambo in einem schmalen Tunnelsystem unterhalb des Grundstücks, das er sich selbst gegraben hat. Das unterirdische Labyrinth im Film erinnert stark an den Vietcong-Tunnel. So haben die Amerikaner die Geheimgänge der feindlichen Partisanen während des Vietnam-Kriegs genannt.
Man merkt, dass John Rambo seine Vergangenheit noch lange nicht überwunden hat. Schaut man sich seine letzten vier Abenteuer an, wird einem klar: Der Mann ist schwer geschädigt und bräuchte dringend eine Therapie.
«Sie nennen mich Babykiller!»
Die Wurzel seiner Probleme wird schon im ersten Film thematisiert. «First Blood» heisst der erste Teil und basiert auf dem gleichnamigen Roman über Veteranen des Vietnamkriegs. Im Film wird John Rambo, sieben Jahre nach dem Krieg, von einem Polizisten zu Unrecht verhaftet und im Revier misshandelt. Er flieht in die Wälder und wird zum Gejagten.
Am Ende ist er umzingelt. Sein einziger Vertrauter, der Mann, der ihn ausgebildet hat, will ihn zum Aufgeben überreden. «Es ist vorbei», sagt er. Da platzt es aus Rambo heraus: «Nichts ist vorbei!», schreit er. Und weiter: «Es war nicht mein Krieg! (…) Ich komme zurück in diese Welt und sehe all die Leute am Flughafen. Sie protestieren gegen mich, spucken mich an, nennen mich Babykiller. Wer sind die denn? Niemand von denen hat gesehen, was ich gesehen habe.»
Dann bricht Rambo, die Kampfmaschine zusammen. Er erzählt unter Tränen, dass er die blutigen Bilder nicht mehr aus seinem Kopf kriegt und mit niemandem darüber reden kann.
Diese Schlussszene wirkt wie ein Spiegel für die Tragödie einer ganzen Nation. Der verlorene Krieg, der die USA spaltet. Und das Trauma der Soldaten, das sie unfähig macht, sich gesellschaftlich zu reintegrieren.
Rambos Wandlung zur Killermaschine
«First Blood» hebt sich aber nicht nur durch seine Sozialkritik von den Fortsetzungen ab. Er ist auch viel weniger brutal. Rambo tötete im ersten Teil niemanden. Einzige Ausnahme: Ein Polizist fällt aus dem Helikopter und stirbt, weil Rambo einen Stein wirft. Kann mit etwas Nachsicht als Unfall abgehakt werden.
Trotzdem ist der Name der Kunstfigur Rambo mittlerweile zu einem Begriff für etwas Aggressives oder Rabiates geworden. Daran sind vor allem die Fortsetzungen schuld. Die sind so brutal, dass Fans ihre Youtube-Videos sogar mit sogenannten «Rambo Kill-Counts», munter tickenden Leichenzählern, ausstatteten.
Eine fast unendliche Geschichte
Zurück zu Rambos Trauma: Er hat nie die Chance bekommen, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Entweder schickte ihn die Regierung in den nächsten Krieg oder Rambo rückte selbst mangels Alternativen ein.
Im zweiten Teil muss er Kriegsgefangene in Vietnam retten. In «Rambo 3» befreit er seinen Ausbildner und Vertrauten in Afghanistan. Er schliesst sich dabei mit islamischen Gotteskriegern zusammen, weil diese damals gegen den Erzfeind der USA kämpften: die Sowjets.
Nun, im fünften Teil, will er seine Ziehtochter aus den Fängen mexikanischer Menschenhändler befreien. Dabei sprengt er im Showdown seinen Tunnel in die Luft. Ein Zeichen dafür, dass es so nicht mehr weitergehen kann?
Immerhin schleppt er seine Probleme nun schon fast 37 Jahre durch die Filmgeschichte. Auch wenn das Ende die Möglichkeit einer weiteren Fortsetzung offenhält: Man wünscht sich, dass die unendliche Leidensgeschichte des Vietnam-Veteranen nun abgeschlossen ist. Das wäre wohl nicht nur Rambo recht, sondern auch im Sinne seiner treuen Zuschauer.
Kinostart: 19.09.2019