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Filmkritik zu «Licorice Pizza»
Aus Kultur-Aktualität vom 19.01.2022. Bild: Universal Pictures International Switzerland
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 30 Sekunden.
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Neu im Kino «Licorice Pizza»: An der Grenze zwischen Freundschaft und Flirt

Hollywood-Regiestar Paul Thomas Anderson serviert leichte Kost: Gehversuche eines charmanten Pärchens in Richtung Erwachsensein im sonnigen, turbulenten Kalifornien der 70er.

1973, San Fernando Valley, unter jungen Menschen. Mit allem, was das an Lebenslust impliziert.

Prompt ist es Liebe auf den ersten Blick. Aber leider nur für ihn: Der 15-jährige Gary (Cooper Hoffman) lernt auf dem Campus die 25-jährige Alana (Alana Haim) kennen und weiss: Sie ist die Frau seines Lebens. Alana selbst sieht es pragmatischer – aber solange er Liebeserklärungen unterlässt, verbringt sie Zeit mit ihm. Deal.

Kein Liebesfilm?

Diese Ausgangslage ist der erste Kniff des Films: «Licorice Pizza» erzählt zwar keine Liebesbeziehung, aber durchaus eine Romanze. Die beiden Hauptfiguren sind – Altersunterschied hin oder her – seelenverwandt. Eine bizarre Chemie beherrscht ihre Interaktionen über die gesamte Filmlänge.

 Ob sie am Schluss ein «richtiges» Paar werden? Völlig unwichtig; es geht um den Moment.

Ein Junge und eine junge Frau rennen und lachen.
Legende: Zwei Entdeckungen auf der Kinoleinwand: Gary (Cooper Hoffman) Alana (Alana Haim). Universal Pictures International Switzerland

Es geht in alle Richtungen

Der zweite Kniff des Films: Was Gary und Alana erleben, ist alles in komödiantische Episoden unterteilt, die untereinander nichts miteinander zu tun haben. Die Grenze zwischen Freundschaft und Flirt im Hintergrund ist der einzige rote Faden der Handlung, und das ist Absicht.

Egal, ob Amanda und Gary Erfahrungen im Showbusiness sammeln, ob sie Wasserbetten verkaufen, mit einem Truck im Rückwärtsgang fahren oder mit der Lokalpolitik in Berührung kommen: Es sind lehrreiche Anekdoten auf dem Lebensweg, nicht mehr.

Eine junge Frau und ein junger Mann sitzen im Flugzeug.
Legende: Die Grenze zwischen Freundschaft und Flirt ist der rote Faden in «Licorice Pizza». Universal Pictures International Switzerland

Gaststars schauen vorbei

Dabei beleben prominente Männer die Exkurse: Benny Safdie und Tom Waits tauchen auf; Bradley Cooper gesellt sich dazu als reicher Exzentriker, der Wert darauf legt, dass er mit Barbra Streisand liiert ist. Aber selbst Sean Penn, der schamlos chargierend eine abgehalfterte Leinwandlegende gibt, täuscht nicht darüber hinweg: All das fügt der Haupthandlung bei allem Vergnügen wenig hinzu.

Und so hat der Film zwar weder Hand noch Fuss, stattdessen aber zwei Herzen: Hoffman und Haim – sie ist bisher als Teil der US-Pop-Band Haim bekannt – in den Hauptrollen sind beides Entdeckungen. Ihre unverbrauchten Gesichter und ihre sichtliche Spielfreude mit den geschmeidigen Dialogen gewährleisten gänzlich die emotionale Tiefe des Films.

Ein Mann in einem weissen Anzug mit rotem Hemd.
Legende: Viel Lebenslust im Kalifornien der 70er: der 15-jährige Gary. Universal Pictures International Switzerland

Nah beim Kollegen

Dazu spendiert Regisseur Anderson reichlich bekannte 70er-US-Radiohits auf der Tonspur (die «Lakritz-Pizzen» des Titels sind Vinyl-Schallplatten), viel 70er-Naturlicht und farbintensive Kleidung, viel Situationskomik und viel bittersüsse Verschrobenheit.

Man könnte behaupten, das Wunderkind Paul Thomas Anderson («Magnolia») gesellt sich stilistisch näher denn je zu seinem etwas älteren Hollywood-Regie-Kollegen David O. Russell («Silver Linings Playbook»), der sich ebenfalls auf zwischenmenschliche Gehversuche in leicht verklärtem, leicht absurdem Setting versteht.

Und das ist rundum als Kompliment gemeint.

Kinostart: 20.1.2022

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 19.1.2022, 7:00 Uhr

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