Um die titelgebenden Hunde geht es im chilenischen Spielfilm «Los Perros» nur am Rande. Aber sie kommen vor: Der Hund der Protagonistin Mariana zum Beispiel heisst Neptuno und ist eine Promenadenmischung.
Neptuno hat es nicht leicht: Marianas Mann will das Tier nicht in der Villa sehen. Und der Nachbar droht gar damit, den Köter mit seiner Pistole zu erschiessen, sollte er sich ein weiteres Mal in den Nachbargarten verirren.
Bastarde haben hier nichts verloren
Neptuno wird die Handlung des Film nicht überleben. Als Ersatz für den toten Mischling wird zum Schluss ein reinrassiger Dalmatiner aufgetrieben. Dieser Nebenplot geht fast unter in einem Film, in dem weit Dramatischeres passiert. Aber er ist bezeichnend dafür, wie dieser Film funktioniert.
Die Autorin und Regisseurin Marcela Said spielt unzweideutig auf die chilenische Klassengesellschaft an: In der Oberschicht, welcher die Hauptfigur Mariana angehört, haben Bastarde nichts verloren. Man hat hier gefälligst aus reinem Blut zu sein.
Die Affäre ist nicht das Problem
Auf der menschlichen Ebene spielt sich derweil etwas Vergleichbares ab: Mariana, 42 Jahre alt, beginnt sich für ihren attraktiven Reitlehrer zu interessieren. Eine aussereheliche Affäre, so scheint es, wäre dabei noch nicht einmal das Problem.
Aber dieser Mann ist nicht standesgemäss: Er ist Militär und nicht Bourgeoisie. Er war zu den Zeiten von Pinochets Diktatur ein ranghoher Offizier und wird nun verdächtigt, für das Verschwinden von etlichen Regimegegnern verantwortlich zu sein.
Altlasten wirken in die Gegenwart
Mariana vermutet eine Verschwörung gegen den Reitlehrer und nähert sich ihm entgegen aller Vorbehalte. Damit begibt sie sich in den Strudel aus Sex und Politik. Im Verlauf der Intrige erfährt das Publikum, wie die tief verkrustet die Altlasten der Militärdiktatur in der chilenischen Gesellschaft bis zum heutigen Tag sind.
Mariana war noch ein Kind, als Pinochet abdankte. Aber im Verlauf des Films wird klar, dass auch ihre Generation unausweichlich betroffen ist von diesem dunklen Kapitel der chilenischen Geschichte.
Gefährliches Spiel
«Los Perros» übt strenge Gesellschaftskritik, tut dieser aber strikt in der Form eines erotischen Thrillers. Die Spannung steigt nicht zuletzt, weil schon in der ersten Filmhälfte wiederholt auf die omnipräsente Gewaltbereitschaft der Protagonisten angespielt wird.
Da ist zuerst der Nachbar mit seiner Selbstladpistole, anderswo und nur kurze Zeit später geht ein Auto urplötzlich in Flammen auf. Die aufgedeckten Wahrheiten werden Opfer fordern – und für Mariana wird das Spiel immer brisanter, je länger sie es spielt.
Undurchsichtig und unheimlich
Regisseurin Marcela Said hat in den letzten Jahren gemeinsam mit Regisseuren wie Pablo Larraín oder Sebastián Lelio die chilenische Filmkunst international salonfähig gemacht.
In «Los Perros» erzählt Marcela Said eine Geschichte in der Logik des Film Noir: Fast alle Figuren sind undurchsichtig, viele Situationen wirken unheimlich, die Ästhetik schafft ein erdrückendes Klima. Es steht sehr viel Geld auf dem Spiel, es könnten Köpfe rollen. Und mittendrin steckt die Tragik einer chancenlosen Beziehung.
Nein, «Los Perros» bezeichnet nicht die Hunde. Sondern die Menschen, in deren Herzen die Demokratie noch nicht Einzug gehalten hat.
Kinostart: 12. Juli 2018
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 11.7.2018, 17.20 Uhr