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Neu im Kino Luke Gassers «Tell – Jagd auf ewig»: schmutzig, urchig, blutig

Ein Schweizer Actionheld? Ganz schön ungewohnt. Denn als heroisches Drama wurde die Sage zuletzt vor 63 Jahren verfilmt.

Jedes Kind kennt ihn, unseren Nationalhelden mit der Armbrust. Doch so gut wie keines hat Tell im Kino kennengelernt. Höchste Zeit für eine Neuverfilmung, fand Regisseur Luke Gasser schon anno 2014. Damals setzte sich der Obwaldner das Ziel, «einen Tell-Film im Arthouse-Stil» zu drehen.

Neun Jahre und eine produktionstechnische Zangengeburt später hat der neue Tell nun das Licht der Welt erblickt. Dass es so lange dauerte, bis Gassers Film mit dem Untertitel «Jagd auf ewig» vollendet war, wirft freilich Fragen auf. Hinter diesen stecken gleich mehrere Dramen, wie Gasser in unserem Interview am Premierenabend verriet.

Tell schaut seinem Habsburger Widersacher tief in die Augen.
Legende: Mannsbilder auf Augenhöhe: Landvogt Gissler (Carlo Ljubek) fixiert seinen Feind aus der Urschweiz (Luke Gasser). Praesens Film

Doch bevor er dies tat, wollte der 57-Jährige über «den Elefanten im Raum» reden: die «erstaunliche Tatsache», dass Tell trotz seiner Prominenz seit 1960 nie mehr als ernstzunehmender Leinwandheld inszeniert wurde.

«Auf meinen weiten Reisen habe ich nie einen Ort gefunden, an dem man Tells Apfelschuss nicht kannte», erzählt Gasser. «Egal ob in Amerika oder Schottland – sogar in Afghanistan waren die Leute über ihn im Bilde.»

Der Tell-Fluch

Ein weltweit bekannter Name ohne urheberrechtlichen Schutz – eigentlich ein gefundenes Fressen für Hollywood. Doch dort ist der Tell-Stoff spätestens seit dem Scheitern des 2008 angekündigten 3D-Actionfilms mit Brendan Fraser ein rotes Tuch. Nachdem die Finanzkrise dem Projekt schwer zugesetzt hatte, verpasste ein Rechtsstreit zwischen Fraser und den Produzenten dem Projekt 2012 schliesslich den Todesstoss.

Ein Habsburger Ritter vor schönem Bergpanorama.
Legende: Augen zu und durch? Tell zu verfilmen, hat sich in der Vergangenheit wiederholt als Husarenritt erwiesen. Praesens Film

2018 folgte der nächste Versuch, eine internationale Produktion auf die Beine zu stellen. Eine Rothenburger Firma hatte Gasser, der gerade damit beschäftigt war, Geld für seinen Low-Budget-Film zusammenzukratzen, davon überzeugt, in grösseren Dimensionen zu denken: Um US-Investoren für ein angedachtes 5-Millionen-Dollar-Projekt namens «The Wilhelm Tell Saga» zu gewinnen, wurde kurzerhand ein Teaser mit Action-Darsteller Damien Puckler gedreht.

Wenig später folgte der grosse Knall. Gasser spricht unter vorgehaltener Hand vom «Versuch einer feindlichen Übernahme», die er nur knapp verhindern konnte. Mehr dürfe er nicht sagen, da über seinen Streit mit der Rothenburger Firma Stillschweigen vereinbart worden sei. Fakt ist: Die Dreharbeiten von Gassers «Tell» wurden 2019 abgeschlossen. 2020 sollte der Film in unseren Kinos laufen. Doch dann kam Corona.

«Dirty Harry des Mittelalters»

Kein Wunder, wirkt dieser Tell so, als sei er aus der Zeit gefallen. Wilko vom Tellen, wie der widerborstige Protagonist hier mit vollem Namen heisst, führt eine private Fehde, die «als Nebenprodukt eine Revolution auslöst», wie Gasser präzisiert. Seinen Helden möchte er als Western-Figur begriffen wissen, als «Dirty Harry des Mittelalters».

Tell (Luke Gasser), niedergestreckt vom Pfeil eines Habsburgers.
Legende: Niedergestreckt vom Pfeil eines Habsburgers: Tell, gespielt von Regisseur Luke Gasser persönlich. Praesens Film

Entsprechend schmutzig und blutig ist seine Rache. Interessanterweise kommen dabei nicht nur die Habsburger schlecht weg, auch an den alten Eidgenossen wird kein gutes Haar gelassen: «Ein einig Volk von Brüdern? Da hat Schiller masslos übertrieben», erklärt Gasser seinen erfrischend respektlosen Ansatz.

Eher konservativ gestaltete der im 2000-Seelen-Ort Lungern aufgewachsene Gasser dagegen die Dialoge. Das Publikum kriegt Redewendungen zu hören, die man nur noch in den abgelegensten Bergdörfern pflegt. Die urbane Bevölkerung dürfte sich über die urchige Sprache und den archaischen Inhalt dieser Tell-Verfilmung bestenfalls wundern.

Kinostart: 14.9.2023

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 12.9.2023, 17:10 Uhr

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