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Neu im Kino «Mahatah»: Wer Bahnhof versteht, hat das Wesentliche begriffen

Zwischenhalt oder Endstation, Arbeitsort oder Heimat: Bahnhöfe sind pulsierende Begegnungsräume, in Zürich wie in Kairo.

«Unsere Eisenbahn symbolisiert ganz Ägypten», sagt die Leiterin des Reinigungsdienstes stolz. «Kairo ist der Mutter-Bahnhof», fährt sie in der knapp 80-minütigen Dokumentation fort. Darum müsse er immer schön sauber sein und mindestens so aufgeräumt wie der eigene Haushalt.

Auf die Doppelbelastung angesprochen, bezieht die resolute Frau klar Stellung. Indem sie sich auf traditionelle Geschlechterrollen bezieht und diese mit ihrem fordernden Arbeitsalltag abgleicht: «Ich verlasse das Haus als Mutter und beginne die Arbeit wie ein Mann. Ich muss mir einen Schnurrbart aufsetzen, die Augenbrauen zusammenkneifen und mit allen möglichen Menschen arbeiten.»

Die Geschichte dieser weiblichen Führungsperson, welche tagein, tagaus ihre männliche Putzequipe instruiert, ist eine von vielen hübschen Anekdoten. «Side Stories from Main Stations» nennt Regisseurin Sandra Gysi diese im Untertitel. «Mahatah» (arabisch: Bahnhof) ist bereits der zweite Kinofilm, den sie zusammen mit dem Ägypter Ahmed Abdel Mohsen realisiert hat.

Zwischen den Welten pendeln

«Die Bahnhöfe in Zürich und in Kairo sind für uns beide der Ausgangspunkt für unsere Reisen», sagt Gysi im Interview. Sie selbst zog es schon in jungen Jahren immer wieder nach Ägypten, um dann jahrelang zu pendeln.

Totale der palastartigen Bahnhofhalle von Kairo.
Legende: Fast ein Palast: Kairos blitzblanke Bahnhofshalle ist Ägyptens Visitenkarte. Reck Filmproduktion

Ahmed Abdel Mohsen machte es genau andersherum: Er verliess einst Assuan, um in der Schweiz ein neues Leben aufzubauen. Inzwischen haben die zwei Heimatgefühle für beide Länder und wohnen sowohl in der Limmatstadt, als auch am Nil.

Die Hauptbahnhöfe von Zürich und Kairo drängten sich darum quasi auf, als ihr jüngstes gemeinsames Filmprojekt langsam Konturen annahm. Herausgekommen ist eine Doku, die mittels Parallelmontage die zwei Metropolen verbindet und gleichzeitig deren Unterschiede beleuchtet.

Andere Länder, andere Rhythmen

Die Kultur des freundlichen Chaos in Kairo kontrastiert Zürichs durchgetaktete Organisiertheit. So warten die Reisenden in Ägyptens Vorzeigebahnhof trotz glühender Hitze und langer Wartezeiten mit stoischer Geduld auf die Züge.

Im perfekt klimatisierten Zürcher HB zeigt sich ein ganz anderes Bild: Dort regt man sich bereits über zwei Minuten Abfahrtsverspätung auf.

Aufnahme der riesigen Zürcher Bahnhofsuhr.
Legende: Die riesige Bahnhofsuhr signalisiert: Pünktlichkeit wird hier grossgeschrieben. Reck Filmproduktion

Die unterschiedlichen Charakterzüge der Städte scheinen schon in deren Namen zu stecken: Kairo klingt wie Kairos, die griechische Gottheit des rechten Zeitpunkts. Die zwei Silben von Zürich lassen sich – mit Blick auf unsere Wohlstandsprobleme – dagegen leicht zu einer Statusangabe verballhornen: Zu reich. Nomen est omen ...

Bunt bevölkerter Mikrokosmos

Dazu passt, was eine bodenständige Sicherheitsfrau des Zürcher Hauptbahnhofs im Film verkündet: «Ich kann die Welt nicht ändern. Aber die Hausordnung jeden Tag aufs Neue durchsetzen.» Wenig später wird sie einen Betrunkenen darum bitten, vom Boden aufzustehen. Und ihn mit Wort und Tat stützen, während er in einen Abfalleimer kotzt: «Schön alles useloh!»

Wartende Reisende im Kairoer Bahnhof.
Legende: Geduldiges Ägypten: Warten auf den nächsten Zug und bessere Zeiten. Reck Filmproduktion

Mit solch vieldeutigen Momenten macht der kunstvoll getaktete Film deutlich, welch faszinierende Gebilde Bahnhöfe sind. Natürlich gehören sie zu den am stärksten überwachten Orten unserer Gesellschaft.

Trotzdem fühlen sich viele Menschen aus aller Welt gut darin aufgehoben. Wie die Kairoer Chefköchin eines Bahnhofsrestaurants, die sich nach 20 Jahren Arbeit noch sichtlich gerührt zu ihrem lärmigen Standort bekennt: «Der Bahnhof ist mein Zuhause.»

Kinostart: 15.9.2022

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 15.9.2022, 7:06 Uhr.

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