Heute befindet sich Alexei Nawalny in Lagerhaft. Er wird kaum freikommen, solange Putin im Amt ist. Vor zwei Jahren, im August 2020, wurde der Mann Opfer eines erfolglosen Giftanschlags.
Den Zeitraum nach seiner Genesung bis und mit seiner Verhaftung deckt dieser US-Dokumentarfilm ab.

Der selbsternannte Korruptionsbekämpfer hat eingewilligt, ein externes Filmteam in seine politischen Aktivitäten einzuweihen, die er – abgetaucht im Schwarzwald – weiterverfolgt. Kamerascheu ist Nawalny nicht; er selbst betreibt aus dem Exil einen Videoblog mit seiner Entourage.
Jetzt, da ein fremder, kanadischer Dokumentarfilmer vor ihm sitzt, gibt er auch gleich die Regeln durch: «Vergiss den Film, den Du da vorhast. Wir machen stattdessen Film Nummer zwei. Das wird ein Thriller.»
Die Show kann beginnen
Nawalny verspricht nicht zu viel: Die nächsten 100 Minuten werden spannend. Der Politiker hat einen guten Grund, warum er sich ausgerechnet jetzt für ein Projekt hergibt, hinter dem Marken wie CNN, HBO und Warner stecken: Er hat Hinweise darauf, welche Personen hinter seiner Vergiftung stecken könnten.
Jetzt will er diese Spur bis zum Kreml verfolgen – und je mehr Zeugen er dafür hat, desto besser.
Nawalny ist allerdings zu diesem Zeitpunkt kein verbittert-rachedurstiger Staatsgegner, sondern ein Showman, ein Entertainer. Er hat Galgenhumor – er lacht über seine eigene Vergiftung – und keiner macht ihm vor, wie man sich wirkungsvoll in Szene setzt.
Für das Publikum bedeutet das: Der Film ist nicht nur temporeich und spannend, sondern – völlig überraschenderweise – auch extrem lustig.
Politik oder Prank?
Der unbestrittene Höhepunkt des Films: Nawalny lässt sich vor laufender Kamera die Handynummern der Männer geben, die angeblich mit seiner Beseitigung beauftragt waren. Er ruft sie der Reihe nach an und löchert sie mit verstellter Stimme – in der Hoffnung, dass sich einer verplappert.
Ist das nun Weltpolitik oder ein perverser Social-Media-Prank? Beides. Die Dokumentarfilm-Crew hinter «Navalny» hinterfragt zwar kaum, was den Politiker antreibt, mit wem er in der Vergangenheit paktiert hat, worauf er letztlich hinauswill. Aber der Film zeigt eindrücklich und gut nachvollziehbar, wie ein gerissener, todesmutiger Medienprofi funktioniert.

Am Schluss: Handschellen
Als sich Nawalny am Schluss von aufgewühlten Passagieren umringt in den Flieger nach Russland setzt – wohl wissend, dass bei seiner Rückkehr aus dem Exil schon am Ankunftsflughafen die Handschellen zuschnappen –, wirkt auch dieser letzte Akt wie eine bombastische Inszenierung.
Es ist der tragische Ausgang des angekündigten Thrillers. Es ist das Ende der Komödie.
Kinostart: 28.04.2022
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