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Neu im Kino Nein, ich will nicht

«Noces» erzählt von den Nöten einer jungen Frau, die zur Heirat gedrängt wird. Der belgische Regisseur Stephan Streker zeigt in seinem Film aber nicht nur die Perspektive des Opfers.

Zahira ist 18 und soll bald heiraten. Aber nicht freiwillig und erst recht nicht, wen sie will. Die Vorauswahl besorgen die Eltern.

Die junge Frau erhält die Fotos dreier Männer vorgesetzt. Alle aus Pakistan, dem Herkunftsland ihrer Familie. Längst in ihrer neuen Heimat Belgien assimiliert, wehrt sich Zahira nach Kräften gegen diese erzwungene traditionelle Heirat.

Porträt Stephan Streker
Legende: Stephan Streker wurde 1965 in Brüssel geboren. Wikimedia

«Ungeheuerlich – keine Ungeheuer»

Soweit die Ausgangslage für ein klassisches Drama. «Zahira ist nicht das Opfer von Ungeheuern, sondern von einer ungeheuerlichen Situation – da gibt es für mich einen grossen Unterschied», sagt der Regisseur Stephan Streker.

Er hat sich für seinen Film von einer wahren Begebenheit in Belgien inspirieren lassen. Was ihn am stärksten an der Geschichte interessiert hat, ist die enge Beziehung zwischen den Geschwistern – im Film sind das Zahira und ihr älterer Bruder Amir.

Eine junge Frau und ein junger Mann schauen sich an.
Legende: Auch Zahiras Bruder ist zwischen der Kultur der Eltern und dem westlichen Leben hin- und hergerissen. Frenetics

Lina El Arabi ist eine Entdeckung

Amir würde nie akzeptieren, dass Zahira ein Haar gekrümmt wird. Und ist am Ende doch der verlängerte Arm der Eltern.

Die junge Schauspielerin Lina El Arabi trägt den Film, als ob sie schon unzählige solcher schwierigen Rollen gespielt hätte. Es ist aber ihr erster grosser Auftritt in einem Spielfilm.

El Arabi ist in fast jeder Szene zu sehen. Atemberaubend, wie sie die Zerrissenheit zwischen Loyalität zur Familie und Autonomie darstellt.

Viel Raum für die eigene Meinung …

Regisseur Stephan Streker beschränkt sich in seinem Film nicht auf die Perspektive des Opfers und ihre Nöte in den patriarchalischen Traditionen. Er schaut auch genau hin, was die Beweggründe der Gegenseite angeht: «Ich wollte, dass man Verständnis für jede Figur aufbringt. Nicht, dass man ihre Meinung teilen muss. Aber man sollte wenigstens deren Motivation und Empfinden nachvollziehen können.»

Ein Mann mit schwarzer Brille
Legende: Zahira wird vom Vater ihrer besten Freundin (gespielt von Olivier Gourmet) unterstützt. Frenetic

Ein Stück weit gelingt ihm das. Zahiras Vater ist sehr differenziert dargestellt. Seine Bestürzung über ihr Auflehnen, die Familienschande, die er vor Augen hat. Er findet sich nur zurecht, indem er sich klar von den westlichen Vorstellungen abgrenzt und eine harte Linie fährt.

… und doch ist klar, wer die Sympathien erntet

Aber letztlich ist es keine Frage, wem die Sympathie der Zuschauer gilt. Der Film folgt Zahira Schritt auf Tritt. Im Gespräch mit ihrer besten Freundin, auf der Flucht vor ihrer Familie, bei der Romanze mit ihrem Auserwählten. Sie entscheidet sich für die Freiheit, was aber gleichzeitig ihr Schicksal besiegeln wird.

Er sei gefragt worden, ob er die Situation so pessimistisch sehe, sagt Regisseur Streker. Das Gegenteil sei der Fall. Überall, wo der Film gezeigt worden ist, löse er viele Emotionen aus, egal ob in westlichen oder muslimischen Ländern.

«Es wird eine Reaktion geben», ist Streker überzeugt, «etwas so Hartes und Schockierendes wird nicht mehr lange akzeptiert.»

Kinostart: 14.12.2017

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