Fern (Frances McDormand) hat ihren Mann verloren. Als sie auch noch ihren Job und ihr Haus verliert, packt sie ihre wenigen Habseligkeiten in ein Lager und fährt mit ihrem Van los – auf der Suche nach Arbeit und sich selber. Als Nomadin reist sie durch den Westen der USA und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
Diese Lebensweise ist Realität für viele Amerikanerinnen und Amerikaner. Gerade die älteren Generationen können mit ihrer Rente nicht überleben. Trotz hohem Alter und gesundheitlichen Problemen müssen die Pensionierten arbeiten. Inzwischen haben sich in Amerika ganze Gemeinschaften von solchen modernen Nomaden gebildet, die durchs Land reisen und in ihren Autos Leben.
Dass dieses Milieu, in dem sich Fern im Film wiederfindet, so echt wirkt, hat einen Grund: Regisseurin Chloé Zhao hat echte Wanderarbeiterinnen in den Nebenrollen besetzt. Die berührenden Geschichten dieser «Nomads» sind teilweise inspiriert von ihren eigenen Schicksalen.
Unprätentiös fügt sich Schauspielerin Frances McDormand in die Gruppen ein. Sie spielt Fern mit viel Würde und ohne jede Spur von Selbstmitleid – dafür gab es den Oscar für die beste Hauptdarstellerin.
Zwischen Überlebenskampf und neuen Freundschaften
Die grösste Stärke des Films ist die Balance, die Regisseurin Zhao bei der Milieuzeichnung der Wanderarbeiter konstant behält. Sie beschönigt Ferns neuen Alltag nicht. Es wird aber auch nichts überdramatisiert.
In einer Szene sehen wir, wie Fern sich bei bitterster Kälte versucht, in ihrem Van warm zu halten oder mühsame Arbeiten verrichten muss. In einer nächsten sind wir mit ihr überwältigt von der Schönheit der Natur, den Weiten des amerikanischen Westens – und ihrer neuen Freiheit.
Keine Doku, keine Kritik
Fern ist mal Campingaufsicht, mal Erntehelferin und immer wieder arbeitet sie bei Amazon. Der Film legt dabei den Fokus fast nur auf die positiven, gemeinschaftlichen Aspekte dieser Arbeit.
Wenn Fern fröhlich durch das riesige Warenlager läuft und mit Freundinnen witzelt oder beim Mittagessen neue Leute kennenlernt, scheinen die prekären Arbeitsverhältnisse des Onlinehändlers ausgeblendet. Für Amazon sind arme Rentnerinnen, wie Fern, billige Arbeitskräfte.
Die Ungerechtigkeit eines solchen Systems kritisiert Zhao nicht. Allerdings schuldet sie es dem Publikum auch nicht, sozioökonomische Zusammenhänge aufzudecken.
Selbst wenn sich «Nomadland» oft so anfühlt, es ist eben doch keine Doku. Der Film will kein kritisches Porträt unserer Zeit sein, sondern erforscht zeitlose Konzepte, wie das der Freiheit und des Zuhauses.
Persönlich statt politisch
«Nomadland» ist ein persönlicher, kein politischer Film. Zhao bleibt liebevoll nahe an ihren Protagonistinnen und zeigt, wie heilend Gemeinschaft in schwierigen Situationen sein kann.
Oder wie es Zhao selber bei ihrer Dankesrede an den diesjährigen Oscars gesagt hat: «Es lohnt sich, besonders in harten Zeiten, an das Gute im Menschen zu glauben.»