Im Frühjahr 2003 erhielten Mitarbeitende des britischen Geheimdienstes GCHQ («Government Communication Headquarters») ein Memo eines ranghohen amerikanischen Kollegen. Darin wurden die Empfänger gebeten, die private Kommunikation einiger UN-Sicherheitsrats-Mitglieder zu überwachen.
Die dabei gesammelten Informationen sollten den USA helfen, Druckmittel gegen Mitgliedsstaaten im Sicherheitsrat zu finden, die sich noch nicht für eine Invasion des Iraks ausgesprochen hatten.
Staatlich verordneter Maulkorb
Zu den Empfängerinnen im GCHQ-Hauptsitz im südwestenglischen Cheltenham gehörte die damals 28-jährige Katharine Gun. Entsetzt ob der Weisung ihrer Vorgesetzten und in der Hoffnung, eine Invasion abzuwenden, leitete Gun das Memo an die Presse weiter.
Wenige Wochen vor der Invasion veröffentlichte die englische Sonntagszeitung «The Observer» eine Titelgeschichte des Inland-Politik-Redakteurs Martin Bright mit der Schlagzeile: «Enthüllt: Dreckige Tricks der USA, um Stimmen für den Irak-Krieg zu gewinnen».
Was daraufhin geschah, ist allgemein bekannt: Die Invasion erfolgte ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrats, trotz der Bemühungen Guns und Brights und des grössten globalen Anti-Kriegs-Protests aller Zeiten. Gun wurde angeklagt, gegen den «Official Secrets Act» verstossen zu haben – einen juristischen Maulkorb für bestimmte Angestellte des britischen Staates.
Die Anklage wurde schliesslich fallen gelassen, weil Guns Strafverteidiger von der Staatsanwaltschaft Dokumente verlangte, welche die britische Regierung belastet hätten.
Kein Bond’sches Popcorn-Kino
Nun kommt mit «Official Secrets» ein Spielfilm in die Schweizer Kinos, der Katharine Guns und Martin Brights Geschichte wieder ins öffentliche Bewusstsein rücken will.
Regie führte der Südafrikaner Gavin Hood, der der Versuchung widersteht, den interessanten Stoff in ein Thriller-Korsett zu zwängen. Stattdessen illustriert «Official Secrets», wie allein sich jemand fühlen kann, der aus Überzeugung, das Richtige fürs Allgemeinwohl zu tun, die eigene Freiheit riskiert.
Die Rolle der Katharine Gun wurde mit Keira Knightley überzeugend besetzt. Sie verleiht der Figur eine authentische Beklommenheit. Serienstar Matt Smith verkörpert Martin Bright als scharfsinnigen Reporter, während Ralph Fiennes als Guns Anwalt Ben Emmerson gewohnt charismatisch in Erscheinung tritt.
Weil der deprimierende Ausgang der Ereignisse dem Publikum von Beginn an klar sein dürfte, ist «Official Secrets» mehr Chronik eines heroischen Scheiterns denn Heldengeschichte. Das macht den Film nicht weniger sehenswert – solange man von «Official Secrets» kein sensationsheischendes Agentenkino erwartet.
Kinostart: 10.10.2019