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Neu im Kino: «Parallel Lives» Geboren am 8. Juni 1964 – ein Film über fünf Leben

Was verbindet Menschen, die zur gleichen Zeit, aber an ganz unterschiedlichen Orten leben? Der Schweizer Filmemacher Frank Matter hat weltweit Menschen gesucht, die wie er am 8. Juni 1964 geboren sind. Eine bildstarke Reise durch die letzten fünf Jahrzehnte.

Eine Klassenzusammenkunft seiner Primarklasse habe den Ausschlag für den Film gegeben, erzählt Filmemacher Frank Matter. Dort habe er seine mittlerweile 50-jährigen Schulkolleginnen und -kollegen wieder getroffen.

Es sei ein Aufeinandertreffen von völlig unterschiedlichen und überraschenden Lebensgeschichten gewesen – obwohl alle in der Baselbieter Gemeinde Sissach aufgewachsen seien, den Wirtschaftsboom miterlebt haben und «mit Kurt Felix gross geworden sind», wie Frank Matter erzählt.

«Dann ist mir der Gedanke gekommen: Wie ist das, wenn man Leute in anderen Ländern fragt? Was heisst es, wenn man am gleichen Tag, aber ganz woanders geboren wurde?»

Eine Suche um die Welt

Der Filmemacher machte sich auf die Suche – via soziale Medien, persönliche Kontakte, über Anzeigen in lokalen Zeitungen. «Das wäre vor 20, 30 Jahren fast unmöglich gewesen. Die weltweite Kommunikation ist heute sehr einfach geworden», sagt Matter.

Für seinen Film hat er schliesslich vier Protagonistinnen und Protagonisten ausgewählt. Sie leben in China, Südafrika oder in den USA und sind alle am 8. Juni 1964 zur Welt gekommen. Wir lernen sie in ihrem Alltag kennen, sie erzählen – manchmal vor der Kamera, öfters aber nur auf der Tonspur – von ihrem Leben, ihren Ängsten, Problemen, Hoffnungen und Träumen.

Foto chinesischer Mann mit Kind auf dem Arm auf der Rolltreppe
Legende: Nach dem Aufwachsen in Armut wird Li Pujian Teil des chinesischen Wirtschaftsbooms. cineworx gmbh / «Parallel Lives»

Ein zurückhaltender Protagonist

Der fünfte Protagonist ist der Filmemacher Frank Matter selbst: Ihn sieht man allerdings höchstens auf einem Foto. Seine Funktion ist die des Erzählers, seinen Text hat er vom Schauspieler Stefan Kurt sprechen lassen.

Es habe ihn Überwindung gekostet, sich und seine Geschichte in den Film zu nehmen: «Ich stelle mich nicht gern in den Vordergrund. Aber es war eine Art Deal mit den Protagonisten. Sie erzählen frei und ehrlich aus ihrem Leben, wollen dann aber, dass ich das auch mache. Das hat mir eingeleuchtet. Der Films geht ja auch von mir, von meinem Geburtstag aus.».

Was prägt uns eigentlich?

«Parallel Lives» erzählt nicht nur von den unterschiedlichen Lebensgeschichten seiner Protagonisten. Es werden auch die grossen Ereignisse miterzählt, die die Welt in diesen Jahrzehnten prägten und die Biografien dieser fünf Menschen beeinflusst haben – wenn auch komplett unterschiedlich.

Foto mit Schild am Strand. Darauf steht: «White persons only».
Legende: Ein Foto aus dem Leben von Zukiswa Ramncwana. Sie ist in Südafrika unter dem Apartheidregime aufgewachsen und erlebt die grossen Umbrüche nach dessen Ende. cineworx gmbh / «Parallel Lives»

Das sei das zentrale Thema seines Films, sagt Frank Matter: «Was prägt uns eigentlich? Der Ort, wo wir geboren sind? Die Familie, aus der wir stammen? Der Zeitgeist? Die technologische, wirtschaftliche oder kulturelle Entwicklung? »

Ihm sei wichtig, diese Verflechtung zu zeigen, sagt Matter: «Und zu zeigen, dass manche Ereignisse nicht alle Menschen überall prägen. Es hängt ganz davon ab, von welchem Zeitgeist man geprägt ist, wie die Umstände des eigenen Milieus sind.»

Mann mit langem, strähnigen Haar. Er hält eine Gitarre und schaut nach links.
Legende: Der Pariser Michel Berardi rebellierte gegen bürgerliche Konventionen und verfiel dabei immer wieder den Drogen. cineworx gmbh / «Parallel Lives»

Starke Geschichten, starke Bilder

«Parallel Lives» ist zwar ein Erzählfilm – da sind die Geschichten der vier porträtierten Menschen, dazu die Erzählstimme des Filmemachers, die alles verknüpft. Gleichzeitig ist der Film visuell unglaublich stark, die Bilder bleiben hängen.

Seien es nun die vielfältig ausgesuchten und kunstvoll montierten Archivbilder, sei es der gefilmte Alltag der Menschen in ihrem Umfeld.

«Ich wollte Bilder zeigen, die die Epoche illustrieren, von der die Leute erzählen. Und eine Atmosphäre kreieren, in der man das Vergehen der Zeit spürt.» Das ist Frank Matter mit seinem eindrücklichen Film gelungen, der mit der grossen Nähe zu seinen Protagonistinnen stark berührt und ein ungeschminktes Bild der Epoche zeigt – vom 8. Juni 1964 bis heute.

Kinostart: 10. Februar 2022

Radio SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 10.02.2022, 09:03 Uhr

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