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Neu im Kino «Peter K.»: Ein renitenter Rentner auf Konfrontationskurs

Vor zwölf Jahren griff ein Bieler Rentner zur Waffe, als die Polizei sein Haus räumen wollte. Der Schweizer Thriller «Peter K. Alleine gegen den Staat» blickt ins Hirn des «Amok-Rentners» Peter Kneubühl.

Braucht es einen Kneubühl-Spielfilm? Die Medien hatten den Fall bereits genüsslich in Echtzeit und in voller Länge ausgeschlachtet – als eine Stadtbieler Fortsetzungsgeschichte über bewaffnete Rebellion gegen Justiz und Polizei, verpackt in eine Wildwest-Story samt mehrtägiger Flucht in die Wälder. 

Kneubühls damalige Aktion war filmreif. Aber war sie auch verfilmenswert? Und wenn ja, auf welche Weise?

Ein älterer Mann, der weint.
Legende: Von Wut bis Wehmut: Der eidgenössische Spielfilm von Laurent Wyss geht unter die Haut – und zeigt die ganz grossen Emotionen. Aardvark Film Emporium

Wenn Fenster zersplittern

«Peter K. Alleine gegen den Staat» nutzt eine Szene lang die Chance des Materials zum helvetischen Action-Thriller: Bei der nächtlichen Eskalation zwischen Kneubühl und der Polizei zersplittern Fensterscheiben. Rauchgranaten fliegen, es fallen Schüsse. Draussen erschallt eine warnende Stimme aus einem Megafon. Drinnen zieht sich der hustende Kneubühl eine Wolldecke über den Kopf.

Diese laute, packende Szene beherrscht den Mittelteil des Films. Sie kommt nicht von ungefähr.

In Kneubühls Kopf

Der Drehbuchautor und Regisseur Laurent Wyss hat eine Dreiviertelstunde lang sehr subtil – aber hartnäckig – auf diesen Showdown hingearbeitet. Denn «Peter K.» trivialisiert seinen Protagonisten nicht. Im Gegenteil: Der Film gibt Kneubühls Gefühlen und Ansichten Raum.

Er zitiert den Rentner ausführlich aus Akten und aus seinen echten Tagebüchern. So ergibt sich ein objektiver Einblick in die wachsende Verbitterung, den Scharfsinn und die Verblendung dieses Mannes.

Schnurstracks in den Schlamassel

Äusserlich passiert etwas ziemlich Banales: Ein Rentner ist in einen familiären Erbstreit verwickelt. Er könnte sich mit rechtlichen Mitteln wehren. Aber weil er bis auf eine demente Tante keine Ansprechpersonen und keinen Freundschaftskreis mehr hat, erliegt er zunehmend einer leidigen Fixierung: «Sie alle» wollen ihm Böses.

Kneubühl macht keinen Unterschied mehr. Mit seinem Konfrontationskurs reitet er sich schnurstracks in den Schlamassel.

Ein älterer Mann hält eine Schweizer Tageszeitung vor Publikum in die Höhe
Legende: Manfred Liechti schöpft in seiner Rolle als Peter Kneubühl die gesamte Klaviatur schauspielerischen Könnens aus. Aardvark Film Emporium

So zeigt das auch der Film: Dieses uns allen bekannte Gefühl, wenn eine ungeahnt hohe Steuerrechnung eintrifft oder man einen wertvollen Gegenstand verliert – dieses frustrierende Gefühl der Wehrlosigkeit. Einfach x-fach verstärkt.  

Grandios gespielt von A bis Z

Kneubühl wird gespielt von Manfred Liechti. Dem Darsteller obliegt die schwere Aufgabe, dieses komplexe Psychogramm samt diffuser Pathologie für das Publikum erfahrbar zu machen, ohne die teils heftigen Regungen seiner Figur ins Groteske zu verzerren.

Ein älterer Mann steht mit einem Gewehr vor der Toilette.
Legende: Showdown in der Nacht: Kneubühl schiesst auf die Einsatzkräfte und flüchtet. Wie er den Behörden damals entkam, bleibt bis heute ungeklärt. Aardvark Film Emporium

Gleichzeitig ist es für einen Schauspieler ein Privileg, eine derart breite emotionale Palette abdecken zu dürfen: Wehmut, Paranoia, Verzweiflung, Galgenhumor.

Um es kurz zu machen: Manfred Liechti kann das alles. Er ist in diesem Film glaubwürdig, nuanciert und eindrücklich. «Peter K.» ist allein seinetwegen sehenswert.

Kinostart am 10. November 2022

Radio SRF 2 Kultur, 10.11.2022, 07:06 Uhr

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