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Neu im Kino «Promising Young Woman» – ein Rachefeldzug gegen die Gesellschaft

Auch wenn «Promising Young Woman» immer wieder komische Elemente hat: Am Ende dieses mit einem Oscar ausgezeichneten Films lacht niemand. Doch darüber nachdenken wird man noch lange.

«Ist es nicht lustig, dass ich jetzt als Letzte lache?», singt Pop-Sängern Fletcher im Abspann zu «Promising Young Woman».

Doch wer diesen Film gerade zu Ende geschaut hat, wird nicht lachen. Sondern geschockt im Sessel kleben. Nach einer zweistündigen Achterbahnfahrt der Emotionen.

Schadenfreudige Lacher

Filmszene: Ein Mann steht mit dem Rücken zur Wand, eine Frau steht dicht vor ihm und schaut ihm in die Augen.
Legende: «Weisst du überhaupt, wie ich heisse?» Cassie konfrontiert einen «netten Mann», der sie im Club aufgabelte und mit nach Hause nahm. Universal

Cassie (Carey Mulligan) ist 30, arbeitet in einem Coffee-Shop und hat eine Mission. Jeden Abend geht sie in Clubs und tut so, als wäre sie stark betrunken. Und jeden Abend kommt ein selbsternannter «nice guy», der vorgibt, ihr helfen zu wollen. Stattdessen nimmt er sie mit nach Hause, um mit der komplett zugedröhnten Frau Sex zu haben. Sprich: Sie zu vergewaltigen.

Cassie spielt das Spiel mit. Zeigt den Männern dann aber plötzlich, dass sie eigentlich vollkommen nüchtern ist. Und konfrontiert sie mit dem, was sie gerade tun wollten. Potenzielle Vergewaltiger, denen eine Frau eine Lektion erteilt – da rutscht einem ab und zu ein schadenfreudiger Lacher raus.

Einsame Rächerin

Filmszene: Eine Frau in Anzughose und Blazer steht mitten auf der Strasse, in der Hand ein Brecheisen.
Legende: Einsame Rächerin: Cassie spricht mit niemandem über ihre Qualen. Universal

Cassie macht das Ganze nicht zum Spass. Sie ist schwer traumatisiert.

Ihre Freundin Nina und sie studierten früher Medizin. Bis Nina betrunken auf einer Party von Mitstudenten vergewaltigt wurde. Glauben wollte ihr das im Nachhinein niemand. Die beiden jungen Frauen verliessen die Uni.

Cassies nächtliche Rachetouren sind ihr Versuch, mit dem Schmerz und den Schuldgefühlen umzugehen.

Oder doch eine Rom-Com?

FIlmszene: In einer Apotheke, ein Mann und eine Frau gehen durch einen Gang zwischen den Regalen und singen.
Legende: Traumtyp Ryan schämt sich nicht, in der Apotheke einen Paris-Hilton-Song zu schmettern. Universal

Doch dann trifft Cassie Ryan (Bo Burnham) – und der Film wird zu einer süssen Rom-Com. Inklusive Gesangs-Einlage in der Apotheke. Erinnert an Teenie-Komödien aus den Nullerjahren: Bonbon-Farben und catchy Soundtrack.

Doch sind jetzt alle Probleme gelöst dank eines edlen Ritters auf dem weissen Ross? Sorry, «Promising Young Woman» ist leider kein Märchen.

Rachefeldzug gegen die Gesellschaft

Cassies Rachefeldzug geht weiter. Nicht an gruseligen, fremden Gestalten, sondern an Mitstudenten, Bekannten. Gespielt von Schauspielern, die sonst nette Rollen übernehmen. Max Greenfield beispielsweise aus der Serie «New Girl» oder Adam Brody aus «O.C. California».

Filmszene: Eine Frau sitzt in einem Restaurant am Tisch und lacht, vor ihr eine Flasche Champagner.
Legende: Uni-Freundin Madison glaubte Nina damals nicht. Jetzt sitzt sie mit Cassie in einem Restaurant – und hat noch keine Ahnung, was sie erwartet. Universal

Cassie rächt sich an einem System, das Vergewaltigungen herabspielt. Ein System, in dem lieber vielversprechenden jungen Männern («promising young men») geglaubt wird als Vergewaltigungsopfern. Und dieses System unterstützen auch Frauen.

Denen erteilt Cassie ebenfalls eine Lektion. Dem zuzuschauen, ist manchmal ziemlich unangenehm, da man nie weiss, wie weit Cassie geht.

Eigene Rolle hinterfragen

Das Ende des Thrillers macht einen fertig. Der Film ist realistischer als andere aus dem Rape-and-Revenge-Genre. Oft erhebt sich darin eine Frau nach einer Vergewaltigung zur blutigen und gleichzeitig super-sexy Rächerin.

Das ist in «Promising Young Woman» anders. Hier werden zwei Frauen durch eine Vergewaltigung zerstört. Cassie ist zwar eine Rächerin, aber vielschichtiger und nahbarer. Wie auch ihre Opfer. Das zwingt die Zuschauenden dazu, die eigene Rolle in der «Rape Culture» zu hinterfragen.

Nein, am Ende dieses mit einem Oscar ausgezeichneten Films lacht niemand. Doch darüber nachdenken wird man noch lange. Und genau das ist wichtig.

Kinostart: 13. Mai 2021

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