Zusammen seien sie 395 Jahre alt und hätten Alkoholismus, Gefängnis, Drogen, Betrügereien und Depressionen überlebt, sagt Stefano Knuchel von seiner Familie.
Das Überleben verdanken sie der Mutter, die Katastrophen dem Vater. Das wäre das vordergründige Fazit dieses verspielten, charmanten Dokumentarfilms.
Doch betont Knuchel – Moderator und Showman beim Tessiner Radio und Fernsehen RSI – auch immer wieder, wie wunderbar das Leben auf der Flucht gewesen sei, wie glamourös die ersten Jahre in der Villa in Locarno Monti. Ein wenig zu oft.
Knuchels Eltern gründeten ihre Familie im Boom der späten 50er- und der anbrechenden 60er-Jahre. Der Vater machte Geld, indem er im Tessin Häuschen aufkaufte, sie notdürftig renovierte und für das Zehnfache an Deutschschweizer weiterverschacherte.
Aufbruch für neue Geschäfte
Ami-Schlitten, Swimming-Pool, Party-Nächte und eine Bar im Haus, das sind Knuchels frühe Erinnerungen. Später ein Motel mit Nachtclub, die Mutter als Bardame. Und dann immer wieder Aufbruch über Nacht, mit Sack und Pack und allen Geschwistern, nach Marbella in Spanien, an die Côte d’Azur. Überall dahin, wo der Vater vor dem Zugriff seiner Gläubiger und der Polizei einigermassen sicher war und neue Geschäfte aufgleisen konnte.
Knuchel spielt sich selbst
Stefano Knuchel schwärmt aber zuerst einmal von einer spannenden, bewegten, aufregenden und offenbar mehrheitlich fröhlichen und liebevollen Kindheit.
Er spielt sich selber als Jugendlichen, in reifer Erscheinung mit Bärtchen und Anzug. Er liegt wie damals mit dem Walkman auf dem Rücksitz eines Citroën DS, als die Polizei den Vater endgültig verhaftet.
Er holt die Fotoalben hervor, in denen er als etwa Zehnjähriger den verstorbenen französischen Sängerstar Claude François alias Cloclo imitiert, vor Publikum, mit Pailletten bestickten blauen Jacket.
Bis zum Zerfall der Familie, dem Drogenabsturz des Bruders, dem Neu-Anfang der Mutter im Tessin mit einem neuen Mann und viel Energie.
«The show must go on»
Das alles versprüht einen mitreissenden Charme, ist getragen von einer nostalgischen Begeisterung, vom ewigen Glamourmotto «the show must go on», und einer Dankbarkeit fürs Überleben.
Die irre, verrückte Familiengeschichte der Knuchels ist faszinierend und Stefano Knuchels verspielter Zugriff darauf hätte alles, was ein Publikumsliebling bräuchte.
Kindheitserinnerungen ermüden
Aber es geht dem Filmemacher wie seinem Vater: Er verpasst den richtigen Zeitpunkt um aufzuhören. Vieles wiederholt sich.
Und die Insistenz auf die goldenen Kindheitserinnerungen hat einen längst ermüdet, als Knuchel im Film die zu erwartende Rechnung präsentiert.
Das ist verständlich aus der Sicht des Filmemachers. Nur Aussenseiter können kürzen, wenn es um die ureigenen Herzensangelegenheiten geht.
Kinsostart: 28.06.2018