Lehrpersonen können Leben prägen. Meine Primarlehrerin war grossartig. Sie war 40 Jahre im Schuldienst tätig, ist heute 95 Jahre alt und erinnert sich an das schönste Kompliment, das sie je von einer Mutter erhalten hat: «Danke, dass Sie meiner Tochter das Lachen nicht ‹verlehrt› haben».
Im Spielfilm «Radical» gibt es für die Grundschulkinder aus der Stadt Matamoros nicht viel zu lachen. Denn 2011 tobt im mexikanischen Grenzort zu den USA ein blutiger Drogenkrieg. Der Schulweg ist lebensgefährlich, die Kinder sind attraktiver Nachwuchs für die Clans. Der Alltag ist geprägt von Armut und Perspektivlosigkeit.
Lernen geht auch locker
Die 6. Klasse der José-Urbina-Lopez-Grundschule ist laut Bildungstest die schlechteste Klasse Mexikos. Viele meiden den Unterricht. Bis Lehrer Sergio kommt – und den Kindern spielerisch Rechnen, Philosophie und Physik beibringt. Das Verhältnis von Masse, Dichte und Verdrängung etwa erklärt Sergio, indem er und der beleibte Schuldirektor in eine grosse Wasserwanne springen. Das Ergebnis: «Sergio hat mehr Dichte.»
Der Lehrer glaubt an seine Schülerinnen und Schüler und macht ihnen Mut, ihr Potenzial auszuschöpfen: Astronautin zu werden oder Philosoph. Hauptdarsteller Eugenio Derbez, ein mexikanischer Comedy-Superstar («Instructions Not Included»), schwärmt: «Wenn ich in meiner Rolle als Lehrer frage: ‹Wer will zuerst die falsche Antwort geben?›, dann fordere ich dazu auf, Fehler zu machen und selber zu denken. Das ist interessant und anders.»
Doch es erwächst dem Lehrer auch Widerstand: Vom Kollegium, von den Schulbehörden, von den Eltern, die sich eine Ausbildung ihrer Kinder niemals leisten könnten. Und von den gewalttätigen Clans, die um ihren Nachwuchs fürchten.
Aus der Armut in die Anwaltskanzlei
Der Film beruht auf einer wahren Geschichte. Gedreht wurde in der Nähe der echten Schule mit Kindern aus ähnlich ärmlichen Verhältnissen. Der echte Sergio Juárez Correa stammt selbst aus diesem Slum.
Bekannt wurde Sergios Geschichte durch seine Schülerin Paloma, Tochter eines Müllsammlers. Der Lehrer förderte ihre ausserordentliche Begabung, bis Paloma die höchste Punktzahl im nationalen Mathetest erreichte und es so ins mexikanische Fernsehen schaffte.
Sergio weiss von ihr heute, dass sie zwar ihren Traumberuf Astronautin nicht lebt, sich aber für eine juristische Karriere entschieden hat. Inzwischen sei Paloma Anwältin in einem politischen Amt und möchte Menschen helfen.
Auch das Schweizer Schulsystem kann lernen
Das Sozialdrama bezieht sich auf die Situation in Mexiko, ist aber eine universelle Geschichte. Dass sie auch hierzulande relevant ist, davon ist der pensionierte Schweizer Lehrer Edgar Sieber überzeugt.
«Die Stolpersteine mögen andere sein, aber auch bei uns gilt: Eine innovative Lehrperson glaubt an die Kinder, gibt ihnen Selbstvertrauen und begleitet sie individuell dahin, wo sie Fortschritte machen können. Dabei sollen die Kinder selbst Verantwortung übernehmen für ihr Lernen», sagt er. Und im besten Fall verlernen die Kinder dabei das Lachen nicht.
Kinostart am 14.3.2024.