«Ich werde da nicht nur als Ehrenmann gezeigt», sagt der Bonner Rapper Xatar zum Film, den der Hamburger Regisseur Fatih Akin («Soul Kitchen», «Aus dem Nichts») über ihn gedreht hat.
Das ist milde ausgedrückt. Giware Hajabi, wie der kurdische Künstler mit bürgerlichem Namen heisst, ist im Mittelteil von «Rheingold» ein jederzeit gewaltbereiter, muskelbepackter Verbrecher.
Bis zu einem gewissen Grad gehört das zum Mythos einer soliden Rapper-Biografie: Der heutige Musikstar und Millionär war einst delinquent und hat Gefängnisse von innen gesehen. Xatar hat seinen Werdegang selbst schriftlich festgehalten in seiner Autobiografie – einem Spiegel-Bestseller, der für diesen Film als Vorlage gedient hat.
Aufwändige Gangsterstory
Xatars kriminelle Energie gipfelte 2009 mit dem Überfall auf einen Goldtransporter – dafür sass er drei Jahre lang. Das erklärt den Filmtitel: Xatar ist im Film ein wagemutiger Goldjäger, und seine heutige Heimat Bonn liegt am Rhein (wo im nahen Siebengebirge Nibelungen-Tourismus betrieben wird). Zudem wird Xatars Vater, ein Musikprofessor und Komponist, als Wagner-Kenner eingeführt.
Wagnerianisch ist in gewisser Weise auch der epischen Gestus des Films: Er beginnt in einem irakischen Gefängnis, führt dann per Rückblende in den Ersten Golfkrieg, von dort zu einer Kindheit in Paris, einer Jugend in Deutschland bis zu einem zweifelhaften beruflichen Erfolg bei der Türsteher-Mafia in Amsterdam.
Das Film-Budget muss komfortabel gewesen sein, oder es sieht zumindest danach aus: Die Filmversuche der Berufskollegen Bushido und Sido hatten da weit weniger Prestige anzubieten.
Wiederholte Stilwechsel
Fatih Akin folgt einem klassischen Erzähldispositiv: Kurdisches Kind aus Flüchtlingsfamilie mit Musikambitionen gerät durch falsche Gesellschaft in die Klein-, dann in die Grosskriminalität, findet hinter Gittern zu sich selbst und legt den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere im Rap-Geschäft. Wobei sich Akin für die Läuterung des Mannes überraschend wenig interessiert.
«Rheingold» ist Kriegsdrama, Coming-of-Age-Erzählung, Gangsterfilm, Heist-Movie – der Überfall auf den Goldtransporter wird humorvoll inszeniert – und Melodram. Dieser wilde Genre-Mix zeugt von Akins Willen, ein Maximum aus dem Stoff herauszuholen. Und tatsächlich: Trotz Überlänge ist «Rheingold» nie langweilig.
Brutaler Filmheld
Für ein intensives Kinoerlebnis sorgt auch der charismatische Hauptdarsteller Emilio Sakraya, der seine Figur Xatar mit einer soliden Performance durch die zahlreichen Stilbrüche der Erzählung führt.
Was dem Film aber letztlich schadet, ist Fatih Akins bekannter Hang zur plakativen Gewaltdarstellung: Seine Xatar-Filmfigur ist in einigen Szenen derart brutal – und sexistisch – dass man das Interesse an ihrem Schicksal streckenweise verliert. Dieses gänzlich wiederherzustellen, das gelingt ihm am Schluss nur halb.
Kinostart: 27.10.2022