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Neu im Kino «Stan & Ollie»: Dicke Freunde waren sie nur in den mageren Jahren

Steve Coogan und John C. Reilly bestechen in diesem Biopic als zartbesaitetes Komikerduo. Das ist alles andere als doof.

Über ein halbes Jahrhundert weilen die beiden Urgesteine des Slapsticks nicht mehr unter uns. Doch in unserem kollektiven Gedächtnis sind sie weiterhin quicklebendig.

Dick und Doof, tanzend.
Legende: Das berühmteste Komikerduo der Welt: Stan Laurel und Oliver Hardy alias Dick und Doof. Impuls (Nick Wall)

Auch heute noch poppt in unseren Köpfen sofort der Name Hardy auf, wenn wir Laurel hören. Und das, obwohl die beiden unabhängig voneinander deutlich mehr produziert haben als gemeinsam.

Weil die gedankliche Koppelung mit ihren Vornamen fast genauso gut funktioniert, heisst das neue Biopic «Stan & Ollie». Gleichzeitig signalisiert der Titel: Hier geht es weniger um die sattsam bekannte Erfolgsgeschichte von Laurel & Hardy. Stattdessen steht ihre persönliche Beziehung hinter den Kulissen im Vordergrund.

Nach dem Goldrausch geht’s steil bergab

Beruflich betrachtet, schildert der Film spannenderweise nicht den Aufstieg der beiden, sondern deren Abstieg. Die Handlung beginnt 1937, während Laurel & Hardy den Gipfel ihrer Karriere erklimmen: mit dem Dreh von «Way Out West», dem Lieblingsfilm des Komikerduos.

Doch schon hier auf dem Set deutet das Biopic subtil die künftigen Probleme an: Schwelende Vertragsstreitigkeiten, Loyalitätskonflikte, Frauengeschichten. Konfliktherde, welche die äusserlich so stabil wirkende Zweckgemeinschaft in Frage stellen.

John C. Reilly und Steve Coogan als Oliver Hardy und Stan Laurel Backstage.
Legende: Eine Zweckgemeinschaft oder echte Buddies? Es ist kompliziert, resümiert der Film. Impuls (Aimée Spinks)

Basierend auf dieser brüchigen Ausgangssituation, formuliert der Film seine Prämisse: Dicke Freunde wurden Stan Laurel und Oliver Hardie erst nach ihrer künstlerischen Blüte. Als sie 1953 ein gemeinsames Comeback gaben und in England eine Theater-Tournee machten. Mit der festen Absicht, ihre Karrieren wieder in Schwung zu bringen.

Spät entdeckte, brüderliche Liebe

Der finanzielle Erfolg ist zunächst sehr bescheiden: Meist treten die ehemaligen Kassenmagneten vor halbleeren Rängen in zweitklassigen Schauspielhäusern auf. Und müssen in Hotels übernachten, die bestenfalls drittklassig sind.

Dafür kommen sich die zwei ungleichen Charaktere menschlich näher. In der Krise werden aus den Berufskollegen auf ihre alten Tage richtige Buddies.

Auch wenn diese Bromance mehr der dramaturgischen Notwendigkeit als der Wirklichkeit geschuldet sein mag: Ans Herz geht sie einem trotzdem.

Hardy (John C. Reilly) und Laurel (Steve Coogan) prosten sich zu.
Legende: Auf die Freundschaft! Oliver (John C. Reilly) prostet seinem Kumpel Stan (Steve Coogan) zu. Impuls (Nick Wall)

Fakt ist: Als Hardy 1957 starb, zog sich Laurel komplett aus dem Rampenlicht zurück. Weil er nach dessen Tod Auftritte mit einem anderen Partner als Betrug empfunden hätte.

Lustig und niedlich zugleich

Eine rührende Freundschaft, die von der zarten Tonalität des Biopics perfekt gespiegelt wird. Am liebenswertesten ist dieses sowieso, wenn es die Grenzen zwischen Realität und Leinwand verwischt. Wenn sich plötzlich vertraute Slapstick-Routinen in den glanzlosen Alltag der Vollblutprofis schleichen.

Ein stilistischer Kniff, der interessante Fragen aufwirft: Zitieren sich Laurel & Hardy in diesen witzigen Momenten selbst?

Oder wechselt Regisseur Jon S. Baird hier auf eine ganz eigene, in sich stimmige Metaebene? Mit absoluter Gewissheit bestimmen lässt sich dies nicht.

Das Komikerduo Dick und Doof (respektive ihre Darsteller) mit weiblichem Anhang vor einem Theater.
Legende: Wer ist hier der Chef? Lässt man ihre Frauen aussen vor, ist Stan Laurel am dominantesten. Impuls (Nick Wall)

Kongeniale Verwandlungskünstler

Unbestritten ist bei «Stan & Ollie» nur die schauspielerische Brillanz seiner Hauptdarsteller. Steve Coogan und John C. Reilly kommen Laurel & Hardy fast schon gespenstisch nahe.

Nicht nur, weil sie für ihre Rollen täglich viele Stunden in der Maske verbrachten. Sondern vor allem, weil ihnen das scheinbar Unmögliche gelingt: Die an Konflikten gereifte Wertschätzung zweier Menschen zu spielen, die sich seit Jahrzehnten kennen.

Kinostart: 9.5.2019

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