«Willkommen in Suburbicon – wer hierher zieht, wird grosse Freude und Wunder erleben!» So verspricht es die Werbung für eine neue, saubere Vorstadt für mittelständige Amerikaner. Es sind die 1950er-Jahre. Vorstädte wie diese schiessen wie Pilze aus dem Boden.
Oberflächliche Idylle
In so einer spielt dieser bitterböse Film. Natürlich demontiert er die wunderbar in Szene gesetzte Idylle der Vorstadt rasant schnell.
Zu Beginn passieren in der Vorzeige-Vorstadt gleich zwei ungeheure Dinge: Zum einen ziehen die Myers zu. Und lösen grosses Entsetzen bei der ganzen Gemeinde aus. Die Myers sind Afroamerikaner.
Zum anderen wird die Nachbarsfamilie der Myers überfallen, die Lodges, nachts in ihrem Haus, in der vermeintlich sicheren Idylle.
Durchhalteparolen vom biederen Vater
Die Lodges sind eine adrette, weisse Mittelstandsfamilie: Vater Gardner, der etwa 10-jährige Sohn Nicky, Mutter Rose, die im Rollstuhl sitzt, und Tante Maggie.
Die Mutter stirbt bei dem Überfall, Tante Maggie zieht ein. «Wir werden das überstehen», sagt Vater Gardner dem geschockten Nicky. Aber das Unheil nimmt seinen Lauf.
Coen-Drehbuch
Der Film basiert auf einem Drehbuch von 1980 von Ethan und Joel Coen, das die Brüder nie selber verfilmt haben. George Clooney kannte das Drehbuch und fragte die Coens für eine Zusammenarbeit an.
Es gab schon viele Filme und Serien, die von netten Vorstädten und den Abgründen dahinter handeln: «The Stepford Wifes» (1975) oder die TV-Serie «Desperate Houswives» (2004-2012) zum Beispiel. George Clooneys Film reiht sich perfekt in diese Tradition ein. Aber die Geschichte der Lodges ist noch eine Spur drastischer, verdrehter, schwärzer.
Versteckte Abgründe, offener Rassismus
Raffiniert an «Suburbicon» ist die Doppelung mit dem Schicksal der Myers nebenan. Während bei den Lodges Ungeheuerliches versteckt innerhalb ihrer vier Wände passiert, geschieht das wirklich Grauenhafte nebenan, ausserhalb des Myers-Hauses, in aller Öffentlichkeit – wo die erste schwarze Familie in der sonst so weissen Vorstadt gemobbt und bedroht wird.
Der Film aber – und hierin ist er ziemlich gut – behandelt diese schreckliche Geschichte der Nachbarn nur ganz peripher. Die krude, zunehmend verdrehte, skurrile und blutige Familiengeschichte der «Normalbürger» interessiert mehr als die rassistischen Anfeindungen der afroamerikanischen Nachbarn. Und so spiegelt der Film sehr zynisch die Wirklichkeit.
Damon und Moore in Höchstform
Matt Damon ist richtig gut in der Rolle des Gardner Lodge, des biederen Finanzspezialisten mit tiefen Abgründen. Und Julianne Moore spielt ihre Doppelrolle von Mutter und Tante mit Genuss.
«Suburbicon» ist eine Abrechnung mit dem weissen Mittelstand. Der Film ist aber im Grossen und Ganzen zu holzschnittartig geblieben. Es fehlt ihm das Subtile – und man kommt nicht umhin, darüber nachzudenken, wie «Suburbicon» wohl geworden wäre, wenn ihn die Coen-Brüder selber gemacht hätten.
Kinostart: 09.11.2017
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 8.11.2017, 08:20 Uhr