Romantische Komödien – sogenannte «Romcoms» – sorgen bei der Kritik eher selten für Begeisterungsstürme. Mit «The Big Sick» läuft in den Schweizer Kinos nun allerdings ein Film an, dem in der angelsächsischen Presse trotz dieses Unheil verheissenden Genre-Stempels genau das gelungen ist.
Dabei beinhaltet «The Big Sick» oberflächlich betrachtet vieles, was nach «Romcom Marke Malen-nach-Zahlen» klingt: Mann und Frau entstammen unterschiedlichen Kulturen? Check. Ein medizinischer Notfall, der verschiedene Figuren dazu zwingt, ihr Leben zu überdenken? Check. Eine harzige erste Begegnung mit den Schwiegereltern? Nochmals check.
Die Liste könnte noch um einige Punkte ergänzt werden. Das wirft die Frage auf: Was macht «The Big Sick» besser als die Grosszahl von Hollywood-Romcoms der jüngsten Vergangenheit?
Dreidimensionale Charaktere und zündende Pointen
Kurz gesagt sorgen folgende Qualitäten für die Differenz: Erfrischend dreidimensionale Charaktere und subtile, teilweise virtuos vorgetragene Dialoge inklusive zündender Pointen. Und dann wäre da auch noch die Geschichte an sich, die – wenn auch nicht gerade alltäglich – glaubwürdig wirkt.
In deren Zentrum steht der in Pakistan geborene Kumail (Kumail Nanjiani): Ein aufstrebender Stand-up-Comedian, der sich sein Geld in erster Linie als Uber-Chauffeur in Chicago verdient. Nach einem seiner Comedy-Auftritte lernt Kumail die Psychologie-Studentin Emily (Zoe Kazan) kennen.
Aus einem Techtelmechtel wird schnell eine Beziehung, die in die Brüche geht, als Emily mehr über Kumails schwieriges Verhältnis zu seinen engsten Verwandten erfährt. Kumails Eltern erwarten nämlich, dass er eines Tages eine arrangierte Ehe mit einer Pakistanerin eingeht. Das ist zwar nicht Kumails Plan, doch um nicht verstossen zu werden, verschweigt er im Familienkreis seine Beziehung zu Emily.
Als diese kurz nach der Trennung allerdings mit einem mysteriösen Infekt ins Krankenhaus eingeliefert und in ein künstliches Koma gelegt werden muss, verbringt Kumail bald jede freie Minute dort. Und wird damit quasi dazu gezwungen, endlich Emilys Eltern kennenzulernen.
Viel Persönliches, viel Herzblut
Das Drehbuch zu «The Big Sick» hat Nanjiani zusammen mit – Achtung Spoiler – seiner Ehefrau Emily V. Gordon geschrieben.
Manches, was das Publikum im Film zu sehen bekommt, ist den beiden tatsächlich so widerfahren (die echte Emily lag wirklich in einem künstlichen Koma). Anderes wurde zu Unterhaltungszwecken über- oder untertrieben (Nanjiani war als Stand-up-Comedian zum Zeitpunkt von Gordons Einweisung beispielsweise schon einige Karriereschritte weiter).
In welchem Ausmass der Film effektiv als wahrheitsgetreue Beziehungschronik seiner Autoren verstanden werden darf, sei dahingestellt. Was jedoch mit gutem Gewissen behauptet werden darf: Mit «The Big Sick» hat das Paar in Zusammenarbeit mit Regisseur Michael Showalter und Produzent / Comedy-Pate Judd Apatow die wohl beste Hollywood-Komödie des Jahres hingelegt. Ein warmherziger Weckruf, dank dem das Genre der Romcom endlich aus dem Koma erwacht.
Kinostart: 16.11.2017