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Neu bei Play SRF «The Father»: Mastermind Anthony Hopkins macht Demenz erfahrbar

Anthony Hopkins gewann für seine diese Performance seinen zweiten Oscar. Hochverdient, weil er uns in seinen Kopf lässt. Der Film ist jetzt auf der Streaming-Plattform «Play SRF» verfügbar.

«Was soll der Unsinn?», fragt Protagonist Anthony sichtlich aufgebracht. Der betagte Mann sucht seine Tochter Anne, die sich in Luft aufgelöst zu haben scheint. «Wovon redest du?», entgegnet diesem eine Unbekannte, welche soeben die Wohnung betreten hat.

«Wo ist Anne?», will der Wütende von ihr wissen. Diese stutzt: «Bitte?» Woraufhin Anthony insistiert: «Anne! Wo ist sie?» Die Auflösung folgt auf dem Fuss. Indem sich die vermeintliche Fremde als Anne zu erkennen gibt: «Ich bin hier. Ich war nur kurz etwas einkaufen.»

Anthony, der treffenderweise von seinem prominenten Namensvetter Sir Anthony Hopkins verkörpert wird, versteht die Welt nicht mehr. Und auch das Publikum ist irritiert. Schliesslich wurde Anne bis zu diesem Zeitpunkt von Olivia Colman gespielt. Die Frau, die nun im Flur steht, gleicht dieser zwar etwas, ist aber ganz eindeutig eine andere: Olivia Williams.

Olivia Colman spricht mit Anthony Hopkins, der in einem bequemen Sessel sitzt.
Legende: Oscarpreisträgerin Olivia Colman verkörpert Anthony Hopkins' Tochter. Doch sie ist nicht die Einzige. Ascot Elite

Die Welt aus der Sicht eines Dementen

Was wir auf der Leinwand sehen, stellt exakt das dar, was Anthony wahrnimmt. Und dem ist nicht wirklich zu trauen. Obwohl vieles auf den ersten Blick glaubwürdig ausschaut und durchaus richtig klingt.

So beantwortet der fehlbare Filmheld Anthony die Frage nach seinem Geburtsdatum blitzschnell mit: «Freitag, 31. Dezember 1937.» Eine Antwort, die besonders authentisch wirkt, zumal Schauspieler Anthony Hopkins an ebendiesem Tag geboren wurde.

Profilbild von Anthony Hopkins, der aus dem Fenster blickt.
Legende: Biografisch gefärbtes Kammerspiel: Auch im Film heisst Anthony Hopkins Anthony – mit gleichem Geburtstag. Ascot Elite

Mit derselben Selbstverständlichkeit gibt der senile Senior über seine Wohnsituation Auskunft: «Ja, ich lebe derzeit mit meiner Tochter zusammen, in meiner Wohnung.» Stimmt das wirklich? Je länger der Film dauert, desto stärker muss Anthonys Gewissheit bezweifelt werden.

Unheimliche Desorientierung

Regisseur Florian Zeller, den wir via Skype interviewen konnten, dekonstruiert in «The Father» Schritt für Schritt eine ganze Lebenswelt. Nicht einmal deren Pfeiler, Anthonys eigene vier Wände, bleiben dabei unangetastet: «Ich wollte das Publikum direkt in eine einzigartige Position bringen. Damit es die Desorientierung am eigenen Leib spürt. Das Ganze soll nicht nur eine Story sein, sondern eine Erfahrung.»

Porträtbild von Regisseur Florian Zeller auf dem Filmset.
Legende: Französischer Theaterprofi mit Genfer Grosseltern: Kinoneuling Florian Zeller hat «The Father» kunstvoll inszeniert. Ascot Elite

Zeller gelingt dies, indem er die Wohnung immer wieder leicht verändert: Wände rücken Zentimeter vor und zurück. Bilder hängen mal höher, mal tiefer. Bis sie – quasi als Krönung der Verwirrung – völlig andere Motive zeigen. Je mehr alles verschwimmt, desto näher kommt man Anthony.

Ohne die grossartige Darbietung von Anthony Hopkins wäre dies freilich nicht möglich gewesen, ist sich Zeller bewusst: «Vor allem, weil wir ihn aus vergangenen Filmen als hochintelligenten Mann kennen, der immer Herr der Lage ist. Umso verstörender wirkt es, genau diesen Mann die Kontrolle verlieren zu sehen.»

Verschlafen und doch gerührt

Anders als sein strauchelnder Protagonist bleibt Regisseur Florian Zeller stets Herr der Lage. Was dem Pariser Theatermann bei seinem Kinodebüt viele Preise einbrachte: unter anderem den Oscar für die beste Drehbuchadaption.

Regisseur Florian Zeller lacht mit seinem Hauptdarsteller Anthony Hopkins auf dem Set.
Legende: Haben angesichts des Preisregens gut lachen: Regisseur Florian Zeller und Schauspielikone Anthony Hopkins. Ascot Elite

Anthony Hopkins erhielt für die höchst stimmige Darbietung einer dementen Version seiner selbst ebenfalls einen Academy Award. Seinen zweiten Hauptdarsteller-Oscar nach dem legendären Kannibalen-Part in «The Silence of the Lambs». Womit der Waliser offenbar nicht gerechnet hatte.

Im festen Glauben, Konkurrent Chadwick Boseman würde posthum geehrt, legte sich der 83-Jährige in der Nacht der Verleihung aufs Ohr. Und verschlief somit seine eigene Ehrung. Umso gerührter zeigte sich der Prämierte über seine jüngste Errungenschaft am Morgen danach: Als ältester Schauspieler, der je mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.

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SRF1, 10.03.2024, 20:05 Uhr.

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