Es ist erstaunlich, wie nahe einem die bewährte sozialutopische Formel des Gespanns Loach/Laverty immer wieder geht: Die präzise Zeichnung der britischen Gesellschaft am unteren Ende der gesellschaftlichen Prosperität, das Aufzeigen der Ungerechtigkeiten und das gezielte Einfügen «störender» Elemente rufen die gewünschten Reaktionen hervor.
Aus dem Bus ins Herz
Dieses Mal sind es Flüchtlinge aus Syrien, die in einer nordenglischen Stadt für Unruhe unter den Quartierbewohnern sorgen, allen voran die junge Yara, die mit ihrer Fotokamera schon in den ersten Momenten des Films aneckt.
Da steigt sie zusammen mit etlichen anderen syrischen Familien aus dem Bus, während ein paar Männer sich empören, dass die jetzt auch noch in dieser Nachbarschaft untergebracht werden sollen.
Später freundet sich Yara mit TJ Ballantyne an, dem liebenswerten Betreiber des letzten Pubs im Quartier.
Alte Häuser, neue Heimat
Das Pub «The Old Oak» sehen wir zuerst mit einem hängenden «K» im Schriftzug, das Ballantyne mit einer Stange zu richten versucht. Ken Loach und sein Drehbuchautor Paul Laverty schaffen es auch dieses Mal, ökonomische Zusammenhänge sichtbar zu machen.
Dass die Preise für die Häuser an der Strasse mit dem Pub im Keller sind, merkt Charlie, einer der letzten privaten Hausbesitzer, als er erfährt, dass die leerstehenden Reihenhäuser bei einer Online-Auktion für 8000 Pfund pro Stück an eine ausländische Immobiliengesellschaft verquantet wurden.
Es liegt auf der Hand, dass der Preisverfall zu günstigem, aber eben auch zerfallenem Wohnraum führt. Dass Flüchtlingsfamilien in solchen Häusern und nicht in den teuren Nobelvierteln untergebracht werden, auch.
Gemeinschaft im Pub
Dem realistisch gezeichneten Ärger der Quartierbewohner, der Staat könne sich doch zuerst um seine eigenen bedürftigen Bürger kümmern, setzt der Film die (bescheidene) Utopie einer Gemeinschaftstafel für alle entgegen. Und die wird auf Initiative von Yara und der Sozialarbeiterin im einstigen Saal des Pubs eingerichtet. Mit viel Freiwilligenarbeit und Begeisterung.
Und natürlich funktioniert die Idee: Wer gemeinsam isst, lernt sich kennen. Auch wenn das nicht allen einleuchtet.
Bewährte Patentformel
«The Old Oak» ist eine klassische Loach/Laverty-Produktion. Der Film reiht sich nahtlos in die Werke der letzten Jahre ein. Er geht ans Herz und erinnert an die wahren Werte der Menschlichkeit.
Da fühlt es sich schäbig an, zu bemängeln, dass der Film eine längst gesetzte Formel gewohnt bravourös erfüllt. Nicht zuletzt im Wissen darum, dass auch Ken Loach (86) ziemlich sicher ist, dass das sein letzter Film sein wird.
Kinostart: 23.11.2023