Er wolle nicht aus dem Leben scheiden, bevor ihm nicht die beste Violine gelinge, zu der er fähig ist: Das sagt der High-End-Instrumentenbauer Gaspar Borchardt von sich. Er ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Jetzt nimmt er seine erträumte «Pièce de Résistance» in Angriff.
Der Erfolg hängt nicht nur von seinem handwerklichen Geschick ab – davon zeigt «The Quest for Tonewood» wenig – sondern vor allem vom idealen und schwer aufzutreibenden Ausgangsmaterial.
Borchardt wird zum Holz-Schatzjäger. Eine atypische Rolle für diesen Mittfünfziger, der sonst eher diskret und schüchtern wirkt.
Eigenwilliges Erzählprinzip
«The Quest for Tonewood» ist vom Erscheinungsbild her ein Dokumentarfilm: Der norwegische Filmemacher Hans Lukas Hansen begleitet Borchardts Vorhaben. Wobei Hansen einem eigenwilligen Prinzip folgt: Ihn interessiert nicht das Abbilden des Geschehens, sondern das Potenzial zum Abenteuerfilm.
Hansen macht das, was sich viele Dokumentarfilmschaffende verbieten: Er interpretiert nicht nur was er vorfindet, sondern er dramatisiert es beliebig. Daran muss man sich gewöhnen.
Vieles im Film wirkt verkürzt, unnatürlich, eigens für die Kamera gestellt. Auf ironische Weise schimmert die Nähe zum verpönten «Reality TV» durch.
Hochgefährliche Holzjagd
Aber das tut dem Vergnügen und der Spannung keinen Abbruch: Es hilft, wenn man die vernachlässigte Realitätstreue früh ausblendet und sich Borchardts Geschichte einfach erzählen lässt.
Und die geht so: Borchardt sucht nach besonders rarem Ahornholz in bosnischen Wäldern. Er will sich die Bäume vor Ort ansehen. Bereits am Telefon erfährt er: Das ist hochgefährlich. Dort liegen zahllose Tretminen aus dem Krieg, Hirsche und Wölfe jagen sich in die Luft.
«Ab jetzt wird es illegal»
Mithilfe eines Metalldetektors eines Holzhändlers, lässt sich Borchardt zu den Objekten seiner Begierde führen. Den Minen auszuweichen erweist sich als Spiessrutenlauf. Und das gesuchte Holz ist sündhaft teuer. Die Anbieter sind argwöhnisch und verhandeln knüppelhart.
«Wir haben keine Zeit zu verlieren, ab jetzt wird es illegal», heisst es einmal, als privates Grundstück betreten wird. Borchardt vertraut bei seiner Schatzjagd im Balkan auf einen bosnischen Mittelmann, der sein Mandat wie ein hartgesottener Privatdetektiv erledigt. Als müssten geklaute Juwelen sichergestellt werden.
Der Film funktioniert
«The Quest for Tonewood» ist kein seriöser Dokumentarfilm über Instrumentenbau. Wer beruflich in diesem Gewerbe tätig ist, dürfte sich an den reisserischen Aspekten stören.
Aber der Film funktioniert trotzdem hervorragend. Der Grund dafür ist der sympathische, zugängliche Hauptprotagonist: Gaspar Borchardts Hingabe für sein gesuchtes Ahornholz ist spürbar, wenn er es beschnuppert, wenn er es wie ein Hausarzt klopfend abhorcht und im Scherz gar anspricht: «Ich höre dich sagen: Bitte, mach eine Violine aus mir!»
Kinostart: 15.12.2021