«Meine Frau schreibt nicht.» Mit diesen Worten stellt der Schriftsteller Joe Castleman seine Gattin bei einem Empfang vor. Wir befinden uns im Jahr 1992 und Joe ist soeben in Stockholm gelandet, um seinen Nobelpreis entgegenzunehmen.
Seine Frau Joan hält sich dezent im Hintergrund, dient als Mantelablage und sorgt dafür, dass das Schriftsteller-Genie keine «Brösmeli» im Bart hat. Die Rolle im Schatten ihres Gatten hat sie seit Jahrzehnten aufopferungsvoll gespielt.
Doch jetzt, wo ihr Mann den Literaturnobelpreis bekommen soll, will sie bei dieser Farce nicht mehr mitmachen. Denn eigentlich ist sie das Superhirn, sie schreibt seine Bücher – nur weiss das niemand.
Das ehrlichste Zitat
Joan und Joe Castleman sitzen zusammen in einer Limousine: «Joe, bitte bedanke dich nicht bei mir in deiner Rede. – Was? – Ich möchte nicht als leidende Ehefrau in Erinnerung bleiben. Das verstehst du, oder? – Nein, ich muss dir danken. Jeder dankt seiner Ehefrau. Wenn ich das nicht mache, dann stehe ich wie ein narzisstischer Bastard da. – Aber das bist du doch.»
Die Schauspielerin
In «The Wife» spielt Glenn Close die leidende Ehefrau Joan Castleman mit viel Fingerspitzengefühl. Ein Blick, ein sanftes Lächeln, eine Augenbraue, die hochgeht. In der feinen Mimik spielt sich das ganze Elend der Schriftstellergattin ab. Für diesen grossartigen Auftritt hat die 71-Jährige Anfang des Jahres einen Golden Globe abgeräumt.
Jetzt ist die Schauspielerin sogar für den Oscar nominiert. Und das bereits zum 7. Mal. Im Rennen um den Preis als beste Schauspielerin sind ihre Konkurrentinnen unter anderem Lady Gaga («A Star Is Born»), Melissa McCarthy («Can You Ever Forgive Me?») und Olivia Colman («The Favourite»).
Fakten, die man wissen sollte
Kein Literaturnobelpreis. 2018 wurde er zum ersten Mal nach 70 Jahren nicht vergeben. Im Zuge der #MeToo-Debatte wurde 2017 ein Missbrauchsskandal in der Schwedischen Akademie aufgedeckt. Als Folge haben 6 von 18 Mitgliedern ihr Amt niedergelegt.
Im Zentrum der Affäre standen Katarina Frostenson und ihr Ehemann Jean-Claude Arnault. Er soll über Jahre hinweg 18 weibliche Mitglieder, Mitarbeiterinnen sowie Frauen und Töchter von Akademiemitgliedern sexuell belästigt oder missbraucht haben.
2018 wurde Arnault wegen Vergewaltigung zu zwei Jahren verurteilt.
Das Urteil
Was die Form angeht, ist «The Wife» ganz konventionell gedreht. Es gibt keine innovative Bildgestaltung oder ein überraschendes Sounddesign. Dafür widmet sich das Drama einem wichtigen Thema: Sexismus und Frauenfeindlichkeit in Schriftsteller- und Verlagskreisen. Rückblenden zeichnen ein chauvinistisches Gesellschaftsbild der 1960er.
Männer entscheiden, welche Autoren publiziert werden. Frauen, die Schriftstellerinnen werden möchten, haben in dieser Zeit einen schweren Stand, sie werden meistens ignoriert. Heute sind wir definitiv weiter. Aber in vielen Bereichen werden Frauen leider noch immer benachteiligt.
Kinostart: 07.02.2019