Eine Nahaufnahme von einem Mädchengesicht mit Tränen in den Augen: Schon das erste Bild von «Un monde» zieht das Publikum in die Welt der jungen Hauptdarstellerin Nora (Maya Vanderbeque).
Es ist der erste Schultag an Noras neuer Schule. Sie muss sich von ihrem Vater (Karim Leklou) und ihrem Bruder Abel (Günter Duret) verabschieden und sich in einer unbekannten Welt neu zurechtfinden.
In «Pausenplatz», so der deutsche Titel, erzählt die belgische Regisseurin Laura Wandel eine komplexe Geschichte über Geschwisterliebe, Loyalität und Freundschaft. Nora ist hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, ihrem gemobbten Bruder zu helfen und dem Wunsch, neue Freundinnen zu finden.
Ein Pausenplatz als Mikrokosmos
Das Thema «Schulanfang» interessierte die Regisseurin, weil es für Integration stehe. «Die Schule ist der erste Ort ausserhalb der Familie, an dem Kinder lernen, wie sie sich gegenüber anderen verhalten», sagte sie in einem Interview. «Diese ersten Erfahrungen sind oft prägend für das ganze Leben.»
«Pausenplatz» ist aus Noras Perspektive gefilmt, mit der Konsequenz, dass auch nur die Ausschnitte gezeigt werden, die sie sieht. Sowohl auf der erzählerischen als auch auf der Bild-Ebene ist vieles nur angedeutet und angeschnitten. Etwa die Lehrerin, die ihr verbietet, sich zu ihrem Bruder zu setzen, oder andere Kinder, die sich streiten und prügeln.
Kindheit zwischen Magie und Grausamkeit
Durch die vielen Nahaufnahmen und Subjektiven werden Zuschauerinnen und Zuschauer in Noras Welt gezogen. Ihre Erlebnisse als Neuling in einer fremden Welt, ihr Zwiespalt zwischen der Loyalität zu ihrem Bruder und dem Wunsch, dazuzugehören, werden mit einer Brutalität erzählt, die schmerzt.
Diese Wirkung ist erwünscht: Laura Wandel wollte zeigen, dass die Kindheit eine Zeit ist, in der «Magie und Grausamkeit verschmelzen».
Vielgelobtes Erstlingswerk
Mit ihrem Spielfilmdebüt heimste die Regisseurin und Drehbuchautorin viele Lorbeeren ein. «Spielplatz» hatte 2021 Premiere an den Internationalen Filmfestspielen von Cannes und wurde mit dem renommierten FIPRESCI-Preis ausgezeichnet, einer Ehrung der internationalen Filmkritiker- und Filmjournalisten-Vereinigung.
Es war nur eine Auszeichnung unter vielen, die sie für ihr Erstlingswerk an verschiedenen europäischen Filmfestivals und bei den belgischen Filmpreisen, den Magritte Awards, erhielt.
Die Krönung: «Pausenplatz» ging 2022 für Belgien ins Oscar-Rennen in der Kategorie «Bester Internationaler Film» und schaffte es auf die Shortlist von 15 ausgewählten Filmen.
Unterstützung aus Cannes
Aktuell arbeitet Laura Wandel an ihrem zweiten Spielfilm, den sie im «La Résidence»-Programm des Filmfestivals von Cannes für junge Filmemacher entwickeln kann. Wieder interessiert sie sich für einen Mikrokosmos. Diesmal für die Innenwelt eines Spitals, wie sie in einem Interview mit dem Britischen Newsportal iNews sagt.