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Kinostart: «Mary Magdalene»
Aus 10 vor 10 vom 08.03.2018.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 8 Sekunden.
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Neu im Kino War Maria Magdalena Heilige, Hure – oder Feministin?

Wer war die berühmt-berüchtigte Bibelfigur? «Mary Magdalene» zeigt die Geburt des Christentums aus moderner Perspektive.

Und Jesus sprach: «Ich taufe dich mit Wasser, um dich zu reinigen.» Im neuen Film von Garth Davis empfängt Maria Magdalena die Gnade Gottes vom Heiland höchstpersönlich.

Der britische Regisseur unterstreicht mit intim wirkenden Nahaufnahmen den Stellenwert dieser starken Frau unter Christi Jüngern: «Schon bevor sie Jesus begegnete, stand sie mit Gott in Verbindung. Sie war zutiefst spirituell und fühlte sich berufen. Obwohl sie in einer Welt lebte, die ihre religiösen Impulse unterdrückte.»

Was die Heilige Schrift wirklich über sie sagt

«Mary Magdalene» befreit die angeblich einst von Dämonen Besessene vom schmuddeligen Image, das ihr seit Jahrhunderten anhaftet. Auch Hauptdarstellerin Rooney Mara, die als Kind eine katholische Schule besucht hatte, wuchs im Glauben auf, dass Maria Magdalena eine Prostituierte war: «Ich war geschockt, als ich davon erfuhr, dass das nicht stimmt. Es gibt keine Textstelle in der Bibel, die das belegen würde.»

Rooney Mara als verschleierte Maria Magdalena.
Legende: Verschleiert und zutiefst gläubig: Maria Magdalena (Rooney Mara). Universal

Die Idee, dass Maria Magdalena eine Prostituierte war, geht auf Papst Gregor I. zurück, der diese verleumderische Doktrin anno 591 in mehreren Predigten verkündete. Auf dieser gewagten Annahme fussend, wurde Maria Magdalena im Laufe der nächsten Jahrhunderte zu so etwas wie das Pin-up-Girl des Katholizismus. Eine schöne, reuige Sünderin, die – immer spärlicher bekleidet – Busse tut.

Jenseits der erotischen Projektionsfläche

Auch im Kino wurde Maria Magdalena häufig als skandalträchtige Figur dargestellt; in Martin Scorseses «The Last Temptation of Christ» gar als Jesu Geliebte und verheimlichte Mutter seiner Kinder. Ihre Rehabilitierung erfolgte erst im Juni 2016 durch Papst Franziskus, indem er ihre Rolle unter Jesu Jüngern massiv aufwertete. Sie sei keine Prostituierte gewesen, sondern «die Apostolin der Apostel» und erste Zeugin von Christi Wiederauferstehung.

Joaquin Phoenix in seiner Rolle als Jesus.
Legende: Ein moderner Heiland: Joaquin Phoenix als Jesus. Universal

Diesem moderneren Verständnis folgt nun auch der neue Film. Die von Rooney Mara verkörperte Maria Magdalena ist hier eine selbstbewusste Frau, der von Joaquin Phoenix gespielte Jesus ein regelrechter Feminist. An einer Stelle sagt er zu einer verunsicherten Wäscherin: «Für Gott ist dein Geist wertvoll, so wertvoll wie derjenige deines Gatten oder deines Vaters.»

Schwarzer Petrus

Diversität bietet der Film auch bei den Aposteln. So wird Petrus beispielsweise von einem dunkelhäutigen Mimen verkörpert, ohne dass dies sonderlich irritieren würde.

Chiwetel Ejiofor als Petrus.
Legende: Petrus hatte auch eine fragwürdige Seite: Chiwetel Ejiofor zeigt diese gekonnt. Universal

Chiwetel Ejiofor liefert ein äusserst plastisches Bild des passionierten Jüngers: Ein glühender Verehrer Jesu, der in Maria Magdalena eine Konkurrentin um dessen Gunst erkennt. Irgendwann platzt ihm – in einer Mischung aus blankem Neid und tief verwurzelter Frauenfeindlichkeit – der Kragen: «Es ist nicht recht, dass er dich dazu erhebt, uns zu führen.»

Stromlinienförmig-zeitgemässe Auslegung

«Mary Magdalene» ist keine Bibelverfilmung, die einen Skandal provozieren will. Trotzdem wird der sorgfältig inszenierte Film das Publikum spalten: In Zuschauer, die den Geist der Gleichberechtigung begrüssen, der in dieser Neuauslegung durchs Heilige Land weht, und solche, die zeitgemässe Deutungen generell ablehnen.

Rooney Mara wird in ihrer Rolle als Maria Magdalena kritisch beäugt.
Legende: Noch weiss Judas nicht so recht, was er von Maria Magdalena halten soll. Universal

Indem der Film Maria Magdalena als Lieblingsjüngerin eines Frauenverstehers präsentiert, eröffnet er einen frischen Blick auf die damalige Lebens- und Glaubenswelt. Einen, der aber wohl mehr über unser heutiges Denken verrät, als über die tatsächlichen Umstände vor 2'000 Jahren.

Kinostart: 15.3.2018

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