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Neu im Kino Wild und wuchtig: «Fauves» trifft fast in Schwarze

Pflegevater gegen Pflegesohn: In «Fauves» werden innerfamiliäre Spannungen zum Albtraum. Ein Film, der über Leichen geht. Leider.

Die erste Szene dieses Films gibt den Ton an. Sie zeigt die ganze Spannweite der Konflikte zwischen dem 17-jährigen Oskar und seinem Pflegevater Elvis.

Oskar ist Uhrenmacher-Lehrling. Und Elvis Sportlehrer an der Fachhochschule in La Chaux-De-Fonds, die Oskar besucht. Um den ungeliebten Pflegevater zu ärgern, schiesst Oskar im Sportunterricht mit dem Pfeilbogen absichtlich schlecht. Bis sich der Lehrer provokativ vor die Scheibe stellt.

Da kann Oskar nicht widerstehen: Er zieht auf und lässt den Pfeil fliegen, mitten ins Ziel. Der Pfeil bleibt in der Mitte der Scheibe stecken, denn der Lehrer hat sich rasch abgedreht. «Siehst du! Alles was du brauchst, ist ein wenig Motivation», provoziert er den Pflegesohn.

Klare Gegenspieler

Es sind klare Verhältnisse, die der Westschweizer Regisseur Robin Erard in seinem ersten Langspielfilm aufzeigt. Elvis ist einer jener ehrgeizigen, scheinheiligen Macholehrer, denen Disziplin und Härte über alles gehen. Sein Pflegesohn Oskar ist ganz offensichtlich sein härtester Gegenspieler.

Der Pflegevater drückt den Sohn an die Wand.
Legende: Wilde Jungs, die wütend sind: Stiefvater und Pflegesohn können es nicht miteinander. Outside the Box

Verstärkt wird das durch den Umstand, dass Elvis sich als Rektor der Schule bewirbt – mit Unterstützung seines Schwiegervaters, der die Schulaufsicht hat.

Der Streit wird zum Albtraum

Als dieser Schwiegervater zum Abendessen kommt, provoziert Oskar gezielt, indem er nachfragt, ob seine Unterstützung für Elvis nicht als Vetternwirtschaft ausgelegt werden könnte. So lange, bis Elvis seinem Pflegesohn wutentbrannt eine Ohrfeige verpasst.

Eins zu null für Oskar, aber das ist nur der Anfang. Die Geschichte eskaliert, es gibt sogar Tote – und plötzlich finden sich Elvis und Oskar in einem gemeinsamen Alptraum.

Wuchtig besetzt

Der junge Zacharie Chasseriaud als Oskar und Jonathan Zaccaï als Elvis sind formidabel. Bérénice Baoo als Ehefrau und Pflegemutter zwischen den beiden sehr subtil. Wuchtig und schmierig zugleich ist die kantige Westschweizer Allzweckwaffe Michel Voïta als Schwiegervater und Stadtpolitiker.

Dass «Fauves» aber weder als Thriller noch als Film über brachiale Erziehungsmethoden richtig funktioniert, liegt wohl vor allem an der mangelnden Erfahrung des Regisseurs.

Leider über Leichen

Robin Erard inszeniert zwar Szene für Szene mit wunderbarer Stilsicherheit. Die Metaphern und die direkten Konfrontationen gehen unter die Haut. Aber am Ende ist «Fauves» eine Spur zu ambitioniert, Robin Erard gelingen die Übergänge vom alltäglichen Wahnsinn zur satirischen Überzeichnung nicht durchwegs mit der nötigen Eleganz.

Die Mischung des Grotesken mit dem Alltäglichen geht nicht völlig auf. Spätestens als die erste Leiche entsorgt werden muss, verliert die Geschichte ihre Subtilität.

Was nichts daran ändert, dass wir es hier mit einem talentierten, eigenwilligen Filmemacher zu tun haben. Mit einem originellen, ungewöhnlichen, packenden Film, der zwar nicht immer, aber doch recht häufig ins Schwarze trifft.

Kinostart: 12. Juli 2018

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