Zum Inhalt springen

Neu im Kino «William Tell»: Ein Schweizer Mythos als Hollywoodfilm

Sage, Mythos, Nationalheld. Seit über 500 Jahren wird die Geschichte des Armbrust-schwingenden Freiheitskämpfers Wilhelm Tell erzählt. Friedrich Schiller widmete ihm ein Theaterstück, das als Vorlage für einen neuen Film dient.

Wilhelm Tell erhält eine dramatische Vergangenheit als Kreuzritter. Bei Kämpfen im Heiligen Land missachtet er einen Befehl und rettet eine Frau mit Sohn vor dem sicheren Tod. Zurück in der Eidgenossenschaft wird die Araberin Suna zu seiner Ehefrau und der Junge kurzerhand getauft – «Walter».

Suna (Golshifteh Farahani), William Tell (Claes Bang)
Legende: Internationale Besetzung: Die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani spielt Tells Frau Suna, der dänische Claes Bang verkörpert Wilhelm Tell. Ascot Elite Entertainment

Neben diesem Kunstgriff versucht der Film weitere Frauenfiguren zu etablieren. An sich ein modernes Sentiment, doch die Ausführung tappt in die Klischee-Falle. Weibliche Figuren werden aus dem Nichts zu unglaublichen Schwertkämpferinnen und Militärstrateginnen. Ihren männlichen Mitspielern wird hingegen eine Entwicklung zugetraut.

Schade, handelt es sich bei Wilhelm Tell doch um eine Sage. Eigentlich die perfekte Gelegenheit, auf historische Fakten zu pfeifen und Colour-blind sowie Gender-blind zu besetzen.

Hollywoodstars in Altdorf

Am Schauspielensemble selbst kann man nichts aussetzen. Hollywoodstars reihen sich von Altdorf bis zum Pilatus ein. Der Däne Claes Bang, bekannt aus Ruben Östlunds «The Square», zeigt eine starke Leistung an Tells Armbrust. Die Krone des Habsburger König Albert trägt kein Geringerer als Ben Kingsley. Doch die grösste Überraschung gelingt Connor Swindells, der mühelos den Sprung vom homosexuellen Oberstufler aus «Sex Education» zum grimmigen Gessler vollzieht.

Gessler-Szene mit Männern in Rüstungen
Legende: Connor Swindells ist bekannt aus der Netflix-Serie «Sex Education», in der er Adam Groff spielt. In «William Tell» verkörpert der britische Schauspieler Gessler. Ascot Elite Entertainment

Das erste Drittel des Films schürt grosse Erwartungen: überzeugendes Schauspiel, formidable Kostüme, beeindruckende Ausstattung und souveräne Actionszenen nach amerikanischem Vorbild.

Doch ab der Hälfte zerfallen die verschiedenen Stränge. Darüber täuschen auch die aufwändigen Spezialeffekte nicht hinweg. Sie erinnern mehr an Computerspiele. Auch die Kampfszenen bieten nichts Neues. Nur eine witzige Miniarmbrust am Handgelenk eines Rebellen spendet kurz Trost.

Gedreht in Italien

Der Anspruch, einen europäischen Actionfilm zu produzieren, ist extrem mutig. Für Wilhelm Tell wurden schätzungsweise 45 Millionen US-Dollar berappt (ca. 36.5 Millionen Franken). Zum Vergleich: Die Fördersumme aller heimischen Filmproduktionen durch das Bundesamt für Kultur beläuft sich auf knapp die Hälfte pro Jahr.

Die Schweiz ist ein teures Pflaster, weshalb die Dreharbeiten im Südtirol und Rom stattfanden. Der Film wurde von der Genfer Mäzenin Marie-Christine Jaeger-Firmenich privatfinanziert. Anhand von Tell erzählt sie den «Drang, unsere eigenen Rechte, unsere Unabhängigkeit, unsere Freiheit und das, woran wir glauben, zu verteidigen». Also Schweizer Werte einem internationalen Publikum unterhaltsam näherzubringen.

Gegen Faschismus

Regisseur Nick Hamm stammt aus Nordirland und hat am eigenen Leib politische Unruhen erfahren. Er betont, dass sich in Schillers Stück eine kleine Gemeinschaft gegen Autokratie wehrt. «Das bestimmende Thema unserer Zeit», sagt Hamm. Es sei eine Geschichte über ultimativen Faschismus. Eine Warnung nicht nur für die Schweiz, sondern für ganz Europa. Ein treffende Analyse. Das Film-Ende lässt die Tür für eine potenzielle Fortsetzung sperrangelweit offen.

Eine gruppe bewaffneter Menschen, links im Bild eine Schweizerfahne
Legende: Wilhelm Tell und seine Mitstreitenden setzen sich gegen Autokratie und für Freiheit ein. Ascot Elite Entertainment

Vielleicht eine Chance für mehr Präzision und Entschiedenheit in der Narration. Aber dass solch ein kostspieliger Streifen zu Schweizer Geschichte überhaupt entsteht, ist ein tolles Zeichen, das hoffentlich weitere Talente inspiriert.

Kinostart: 31. Juli

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 30.7.2025, 17:20 Uhr

Meistgelesene Artikel