Jahrzehntelang hat die Science-Fiction-Literatur uns immer wieder davor gewarnt, unsere Maschinen selbstständig denken zu lassen: Künstliche Intelligenz – insbesondere im Eigenheim – wurde in Romanen wiederholt als bedrohlich, aufmüpfig und übergriffig beschrieben.
Beeindruckt hat uns das offenbar nicht. Mittlerweile sind smarte Geräte und Applikationen aus unserer Realität nicht mehr wegzudenken.
Ein Kühlschrank namens Yves
Auch ein intelligenter Kühlschrank wie Yves ist nur eine theoretische Weiterentwicklung der Gerätschaften, die heute bereits im Handel sind.
Benoît Forgeard, der «Yves» geschrieben und inszeniert hat, ist sich dessen bewusst. Deshalb inszeniert er seine Erzählung auch nicht als Dystopie, sondern als einen vergnüglichen, überraschend romantischen Beziehungsschwank.
Yves steht in der Küche eines erfolglosen Nachwuchsrappers. Dieser hat sich vor kurzem als Versuchskaninchen bei der Start-up-Firma angemeldet, die die Kühlschränke entwickelt hat und nun testen will. Rapper Jérem verspricht sich von dem Experiment in erster Linie Gratisnahrung.
Lebenshilfe an allen Fronten
Das Experiment verläuft am Anfang erwartungsgemäss: Yves stellt den Ernährungsplan seines Klienten radikal um. Statt haufenweise Bananen gibt es neuerdings Schokoladen-Schaumgebäck vom Konditor nebenan. Das sei nachhaltiger.
Aber Yves geht noch weiter: Er remixt einen Track seines neuen Besitzers, stellt ihn ungefragt ins Netz und verschafft ihm damit ungeahnte Erfolge in den sozialen Netzwerken.
Auch in Liebesdingen will Yves seinem Herrchen helfen. Aber hier wird es kompliziert: Eine Romanze bahnt sich ausgerechnet mit jener Frau an, die Yves mit ihrer Firma vermittelt hat. In anderen Worten – Yves ist plötzlich der Dritte im Bunde. Wem gehorcht er nun? Seinem Besitzer, seiner Entwicklerin, oder sich selbst?
Sentimentale Abhängigkeiten, Hassliebe, Herzschmerz, Verlust- und Kontrollverlustängste: Alles, was an heftigen Gefühlen in einen guten Beziehungsfilm gehört, wird in «Yves» durchdekliniert – nur eben mit einem allwissenden Chip in der Mitte.
Auf Augenhöhe?
Auf der einen Seite steht da der kühle Denker, der empfangene Gefühle genaustens analysiert und seine Reaktionen mit Big Data abgleicht, bevor er seine emotionalen Reaktionen simuliert und sie mit einem ideal temperierten Spargel-Kanapée verabreicht.
Auf der anderen Seite haben wir zwei unperfekte Menschen, die sich in ihrer Verliebtheit reichlich ungeschickt verhalten.
Eigentlich müsste sich Yves mit diesen zerbrechlichen Geschöpfen nicht auf eine Stufe stellen. Aber genau das scheint er zu wollen.
Womöglich, weil er aus dem Dilemma herausfinden will, dass er im Dienste von Menschen steht, denen er intellektuell haushoch überlegen ist. Vielleicht aber auch nur, weil er endlich fühlen lernen möchte.
Chanteur de Charme
Von Liebesbedürfnis und Geltungsdrang getrieben geht Yves schliesslich ans Äusserste: Er tritt mit einem Schmusesong am Eurovision-Songcontest an.
Das ist nur eine von zahllosen Pointen in diesem rundum witzigen Film, aber vielleicht die süsseste: Yves ist eine Maschine, die theoretisch die Menschheit knechten könnte – aber alles, was sie will, ist auf demokratisch legitimierte Weise deren Herzen zu gewinnen.
Kinostart: 17.10.2019