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Neu im Stream «Dirty Pop»: Lou Pearlmans schmutziges Geschäft mit den Boybands

Die neue Netflix-Doku «Dirty Pop» schildert die Anfänge des Boyband-Wahns. Mittendrin: Lou Pearlman, Manager zahlreicher Boygroups, Pop-Titan, erfolgreicher Geschäftsmann. Einer seiner «Nebenjobs»: notorischer Betrüger.

«Wenn man einen Pakt mit dem Teufel schliesst, dann zeigt er sich nicht als Teufel – sonst würde man den Pakt gar nicht erst schliessen», sagt *NSync-Mitglied Chris Kirkpatrick.

Der Teufel ist – in diesem Fall – Louis «Lou» Pearlman. Berühmt wurde er als Backstreet-Boys-Gründer, später macht er Schlagzeilen als Hochstapler. Dann landet er im Gefängnis.

Die Boyband *Nsync und ihr Manager Lou Pearlman posieren mit Platin-Schallplatte und Pizza in einem Restaurant.
Legende: Ein Mann mit vielen Gesichtern: Lou Pearlman mit der Boyband *NSync, hier 1996 in einer Pizzeria in Miami. Getty Images / Mark Weiss / WireImage

Die dreiteilige Netflix-Dok-Serie «Dirty Pop» schaut auf Pearlmans Geschichte. Sie will viel, kann aber nicht alles. Denn: Die Serie beackert zu viele Erzählstränge und springt zwischen den Zeitebenen hin und her.

Von Luftschiffen und Luftschlössern

Aber von vorne: Alles beginnt mit Lou Pearlmans Luftschiff-Business (eine Art Zeppelin). Er lässt alle abstürzen und sackt einen Haufen Versicherungsgeld ein. Dann gründet er die Firma «Trans Continental Airlines». Er behauptet, sie würden Flugzeuge an Stars leasen. Einziges Problem: Die Firma besass nie auch nur ein einziges Flugzeug.

Als Nächstes? Die Boybands. Lou Pearlman rekrutiert Jungs, zuerst für die Backstreet Boys, dann *NSync, später O-Town, Natural, Take 5.

Im Netz der Intrigen

Früh kriselt es mit seinen ersten Goldjungs. BSB und *NSync verklagen Pearlman. Ihr «Big Poppa» sackte beinahe alle Einnahmen ein.

Doch Pearlman gründet munter weitere Bands. Er zieht seine Firma immer grösser auf, diversifiziert. Investoren gaukelt er vor, ein florierendes Unternehmen zu führen.

Alles Schein. 2007 fliegt er schliesslich auf. Mit einem Schneeballsystem hat Pearlman mehr als 2000 Anlegerinnen und Anleger um rund 500 Millionen Dollar betrogen

In der Netflix-Serie wird Pearlman irgendwie als Genie, irgendwie als Grüsel gezeichnet. Zitate wie, «Ich sage Ihnen, wann der Hype um Boybands vorbei ist. Wenn Gott aufhört, kleine Mädchen zu machen. Bis es so weit ist, machen wir weiter», stossen auf.

Streaminghinweis

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«Schmutziges Pop-Geschäft – der Boy-Band-Betrug» ist auf Netflix verfügbar.

Die grösste Irritation: Pearlman persönlich taucht im Film auf – obwohl er seit 2016 tot ist. Deepfake-Lou sitzt an einem Schreibtisch, seine Lippen bewegen sich seltsam, er gestikuliert unpassend.

Für die Geschichte liefert die KI-Spielerei keinen Mehrwert. Man fragt sich, wer es für klug hielt, die Deepfake-Taktik bei einem Dok über einen Betrüger zu nutzen, der jahrzehntelang vorgab, ein anderer zu sein.

Mann in einem Hawaiihemd vor Pearl Steakhouse.
Legende: Tüchtiger Geschäftsmann: 2008 wurde Lou Pearlman wegen Millionenbetrugs zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt. AP Photo/John Raoux

Die meisten streamen «Dirty Pop» wohl aus Nostalgie-Gründen. Und die kommen auf ihre Kosten – aber nur teilweise. Die Aufnahmen aus der Anfangszeit von BSB und *NSync haben etwas. Fürs Interview gekriegt haben sie dann aber doch nur die weniger berühmten Mitglieder (nichts gegen Howie, AJ oder Chris. Aber ihr seid halt nicht Brian oder Nick). So verliert die Serie an Gewicht.

Moralische Grauzone

Letztlich bleibt man mit Fragen zurück. Etwa: Wussten seine Partner wirklich nichts von den Machenschaften? Ein Ex-Boyband-Mitglied will nicht realisiert haben, dass Pearlman und er auf der Flucht vor dem FBI waren, als sie von Dublin über Berlin bis nach Bali jetteten.

Die Ambivalenz der Figur Lou Pearlman lässt sich in der Serie fassen. Er war der Drahtzieher hinter dem gewaltigen Erfolg, wie es ihn in der Geschichte der Popmusik selten zuvor gegeben hat. Finanzierte dies aber mit den Ersparnissen von Freunden und Familien.

Michael Wayne Johnson von der Band «Natural» resümiert unter Tränen: «Lou, das war das Scheissmonster, das auch mein bester Freund war.»

Radio SRF 3, 31.7.24, 16:50 Uhr

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